Leitsatz (amtlich)
Keine analoge Anwendung bei Nachteilen aufgrund bestehenden, aber nicht vollstreckten Haftbefehls
§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StREG ist nicht entsprechend anwendbar auf einen Fall, in dem der in der Schweiz wohnhafte ehemalige Angeklagte geltend macht, er habe finanzielle Einbußen erlitten, weil er sich wegen eines gegen ihn erlassenen Haftbefehls nicht frei grenzüberschreitend habe bewegen und deshalb seiner beruflichen Tätigkeit mit internationalen Verbindungen nicht in vollem Umfang habe nachgehen können.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 06.10.2008; Aktenzeichen (519) 22 Js 45/97 KLs (14/00)) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des ehemals Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Oktober 2008 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Dem ehemaligen Angeklagten und Beschwerdeführer wurde mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 14. November 2000 vorgeworfen, im Zeitraum vom 27. Dezember 1990 bis zum 3. Juni 1992 in Berlin und andernorts im Zusammenhang mit dem Ankauf der in Berlin ansässigen Unternehmung "WBB Wärmeanlagenbau GmbH" von der Treuhandanstalt gemeinschaftlich mit anderen Betrugs- und Untreuetaten begangen bzw. Beihilfe hierzu geleistet zu haben. Im Zeitraum vom 27. Dezember 1996 bis zum 30. April 2002 bestand gegen ihn Haftbefehl, der jedoch nicht vollstreckt wurde, weil sich der Beschwerdeführer an seinem Wohnsitz in der Schweiz aufhielt.
Durch rechtskräftigen Beschluss vom 31. Juli 2007 stellte das Landgericht Berlin das Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 206a StPO ein und entschied, dass der ehemalige Angeklagte für die Durchsuchung seiner Wohnräume in Bottmingen (Schweiz) sowie "die in diesem Verfahren erfolgten Sicherstellungen und Beschlagnahmen" - gemeint war ausweislich der Beschlussgründe die (bloße) Anordnung eines dinglichen Arrestes - zu entschädigen sei.
Mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 3. April 2008 hat der ehemalige Angeklagte beantragt, im Wege des isolierten Beschlussverfahrens nach § 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG festzustellen, dass er auch für die Schäden zu entschädigen sei, die ihm infolge des Bestehens des Haftbefehls entstanden seien. Wegen des Haftbefehls habe er sich nicht frei grenzüberschreitend bewegen und deshalb seiner beruflichen Tätigkeit mit internationalen Verbindungen nicht in vollem Umfang nachgehen können. Er ist der Auffassung, dass § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StrEG auf einen nicht vollzogenen Haftbefehl entsprechend anzuwenden sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht Berlin die Entschädigung versagt. Hiergegen richtet sich die nach § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG zulässige sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat einen Anspruch auf Entschädigung nach dem StrEG zu Recht verneint. Aus § 2 StrEG ergibt sich weder direkt noch in analoger Anwendung ein Anspruch auf Entschädigung für Schäden, die aufgrund eines erlassenen, aber nicht vollzogenen Haftbefehls entstanden sind.
1.
Nach § 2 Abs. 1 StrEG sind nur solche Schäden entschädigungsfähig, die durch den Vollzug von Untersuchungshaft oder einer anderen Strafverfolgungsmaßnahme entstanden sind.
a)
Im Gegensatz zu der in § 1 StrEG geregelten Entschädigung für Urteilsfolgen stellt das Gesetz in § 2 StrEG "unmissverständlich klar" (vgl. Schätzler/Kunz, StrEG 3. Aufl., § 2 Rdn. 6), dass eine Entschädigung für vorläufige Strafverfolgungsmaßnahmen von deren Vollzug abhängt (vgl. Schätzler/Kunz, § 2 StrEG Rdn. 15; OLG Bamberg NStZ 1989, 185 [die bei Schätzler/Kunz zitierte Fundstelle trifft nicht zu]; LG München I AnwBl 1981, 292; LG Flensburg DAR 1999, 279). Dies bedeutet für den Fall der Untersuchungshaft, dass der Schaden unmittelbar durch die tatsächlich erlittene Freiheitsentziehung entstanden sein muss (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 2 StrEG Rdn. 2). Die Regelung ist nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf die Konstellation eines nicht vollzogenen Haftbefehls nicht direkt anwendbar.
b)
Auch die von der Verteidigung befürwortete analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Hierfür fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat statt einer umfassenden eine differenzierte Regelung von Entschädigungsmöglichkeiten für Strafverfolgungsmaßnahmen getroffen (vgl. OLG Jena, NStZ-RR 2001, 160). Hierbei hat er bei den vielfältigen Änderungen des StrEG - ausdrücklich unter Berücksichtigung in der praktischen Gesetzesanwendung zutage getretener Lücken und Mängel (vgl. etwa BT-Drs. 8/473, S. 5) - an dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 1 keine Korrektur vorgenommen. Ferner hat er sich in bewusster Verfolgung des Zieles einer Begrenzung auf die seiner Ansicht nach entschädigungswürdigen Maßnahmen in einer abschließenden Aufzählung für eine sorgfältige Aussonderung derjenigen Sachverhalte entschieden, in denen er eine Entschädigung für nicht gerechtfertigt erachtete (vgl. BT-Drs. a.a.O..); anderersei...