Leitsatz (amtlich)
Die Berliner Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gem. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten vom 03. August 2021 ist nichtig, weil zum Zeitpunkt des Inkraftretens der Verordnung am 06. August 2021 die Begründung für den Erlass der Verordnung nicht allgemein zugänglich war. Die zum 13. August 2021 erfolgte Veröffentlichung der Begründung im Amtsblatt von Berlin führte nicht zur Heilung des Begründungsmangels.
§ 878 BGB ist analog anwendbar auf Anträge auf Aufteilung von Gebäuden in Wohnungseigentumsrechte nach § 8 Abs. 1 WEG, wenn ein solcher Antrag vor Inkraftreten der Berliner Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB) vom 21. September 2021, die am 07. Oktober 2021 in Kraft getreten ist, beim Grundbuchamt eingegangen ist (Anschluss an BGH NJW 2017, 1546 zur vergleichbaren Situation bei sog. Erhaltungssatzungen gem. § 172 BauGB).
Normenkette
BauGB § 250 Abs. 1; BGB § 878; UmwandlungsVO Fassung: 2021-08-03; WEG § 8 Abs. 1
Tenor
Die Zwischenverfügung wird zu Ziff. 1 aufgehoben.
Gründe
Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und hat in der Sache Erfolg. Das von dem Grundbuchamt mit Ziff. 1 der angefochtenen Zwischenverfügung gem. § 18 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GBO aufgezeigte Eintragungshindernis - Genehmigung des zuständigen Bezirksamts gem. § 250 Abs. 1 S 1 BauGB i. V. m. § 1 S. 1 der Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gem. § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten vom 03. August 2021 (im Folgenden: UmwandlungsVO1; GVBl. 2021, 932) - besteht nicht.
Nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB i. d. F. vom 14. Juni 2021 bedarf in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten i. S. v. § 201a S. 3 und 4 BauGB die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum nach § 1 WEG bei Wohngebäuden, die bereits am Tag des Inkrafttretens einer entsprechenden Rechtsverordnung bestanden, einer Genehmigung. Das Grundbuchamt darf bei in solchen Gebieten belegenen Grundstücken die Eintragung der Teilung im Grundbuch nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist. Mit der UmwandlungsVO1 hat der Senat von Berlin das gesamte Land Berlin zu einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt i. S. v. § 201a S. 3 und 4 BauGB bestimmt. Die UmwandlungsVO1 ist am 06. August 2021 in Kraft getreten (§ 3 UmwandlungsVO1). Die Begründung zur UmwandlungsVO1 wurde erst am 13. August 2021 im Amtsblatt von Berlin (S. 2823 ff.) veröffentlicht. Die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der UmwandlungsVO1 gem. § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB verlangt in Satz 4 der Vorschrift eine Begründung. Die Begründungsverpflichtung dient dem Grundrechtsschutz, indem sie den Verordnungsgeber dazu zwingt, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen und deren Voraussetzungen zu belegen (vgl. BGH NJW 2019, 2844 ff. zur Nichtigkeit der Hessischen Mietbegrenzungsverordnung v. 17. November 2015 wegen Begründungsmangels). Dem Begründungsgebot wohnt die Verpflichtung inne, die Begründung in zumutbarer Weise öffentlich bekannt zu machen. Die um eine Woche später am 13. August 2021 im Amtsblatt von Berlin erfolgte Veröffentlichung der Begründung für die UmwandlungsVO1 entspricht jedoch nicht den gesetzlichen Anforderungen. Der Senat von Berlin durfte seine Begründung für die Ausweisung des gesamten Landes Berlin als Gebiet mit angespannten Wohnungsmärkten nicht erst nach dem Inkrafttreten der UmwandlungsVO1 zum 06. Augst 2021 bekannt machen. Weil die Pflicht zur Begründung der UmwandlungsVO1 Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage des § 250 Abs. 1 S. 3 und 4 BauGB ist und eine Rechtsverordnung zur Bestimmung von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt ohne öffentlich bekannt gemachte Begründung mit dem Wortlaut und Normzweck der Ermächtigungsgrundlage nicht vereinbar ist, handelt es sich um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, deren Fehlen zur Nichtigkeit der Verordnung führt (vgl. BGH aaO.; zur grundsätzlichen Nichtigkeit fehlerhafter Rechtsverordnungen Brenner in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., RdNr. 82 zu Art. 80; Ossenbühl in Isensee/Kirchhof, Handbuch d. Staatsrechts, Bd. 5, RdNr. 79 zu § 103 jew. m. w. N.). Entscheidend ist, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der UmwandlungsVO1 die gesetzlich erforderliche Begründung nicht zugänglich war (vgl. Titarenko, Die Berliner Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB - Nichtigkeit und ihre Rechtsfolgen, GE 2021, 1105 ff). Die nachträgliche Veröffentlichung der Begründung im Amtsblatt für Berlin vom 13. August 2021 führte nicht zur Heilung des Begründungsmangels. Mit Rücksicht auf die erhöhte Grundrechtsrelevanz der Begrenzung von Umwandlungen von Mietwohnungen in Wohnungs...