Leitsatz (amtlich)

1. Der Streitwert des Verfügungsverfahrens ist regelmäßig niedriger anzusetzen als der der Hauptsachen klage auf Unterlassung.

2. Dabei ist für den Regelfall ein bestimmtes Wertververhältnis zugrunde zu legen.

3. Es liegt nicht fern, zukünftig einen Regelwert im Verhältnis vom Verfügungs- und Hauptsacheverfahren von zwei Dritteln (bisher ein Drittel) anzunehmen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 30.08.2004; Aktenzeichen 103 O 163/04)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird die Wertfestsetzung in Ziff. 3 des Beschlusses der Kammer für Handelssachen 103 des LG Berlin v. 30.8.2004 - 103 O 163/04 - geändert:

Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens beträgt 50.000 Euro.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin hat im Wege der einstweiligen Verfügung begehrt, der Antragsgegnerin zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, Y. biete günstigere Tarife als die B. an. Veranlassung hierzu gab eine Äußerung eines Vertriebsmitarbeiters (Vertriebskooperationspartners) der Antragsgegnerin ggü. einem Verbraucher anlässlich eines Hausbesuches zur Kundengewinnung.

Das LG hat den Verfahrenswert im angefochtenen Beschluss auf 16.700 Euro (ausgehend von einem Hauptsachewert von 50.000 Euro, davon ein Drittel als bloßes Verfügungsverfahren) festgesetzt.

B. Die von den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im eigenen Namen eingelegte Beschwerde ist nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG n.F. zulässig. Sie ist auch begründet, §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG n.F., 3 ZPO.

I. Gemäß § 3 ZPO ist der Wert nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. Maßgeblich für die Schätzung ist bei einem auf Unterlassung von Wettbewerbsverstößen gestützten Verfahren - wie hier - das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Dieses Interesse wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insb. seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber anhand des ihm drohenden Schadens (wie Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) bestimmt. Dabei sind u.a. die Unternehmensverhältnisse bei dem Verletzer und dem Verletzten (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung), die Intensität des Wettbewerbs zwischen beiden (in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht), die Auswirkungen zukünftiger Verletzungshandlungen (Ausmaß, Intensität und Häufigkeit, indiziert durch die bereits begangene Verletzungshandlung), die Intensität der Wiederholungsgefahr (Verschuldensgrad, späteres Verhalten) zu berücksichtigen (vgl. zu Vorstehendem BGH v. 26.4.1990 - I ZR 58/89, MDR 1990, 986 = GRUR 1990, 1052 [1053] - Streitwertbemessung; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., vor §§ 23a, 23b Rz. 11 f.; Pastor/Ahrens/Ulrich, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 44 Rz. 31 f.; Teplitzky, Wettbewerbliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 49 Rz. 11 ff., jeweils m.w.N.).

Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses nach vorstehenden Grundsätzen bildet nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Angabe des Streitwerts in der Klageschrift, denn diese Angabe erfolgt noch unbeeinflusst vom Ausgang des Rechtsstreits. Sie kann daher der Streitwertfestsetzung regelmäßig zugrunde gelegt werden, es sei denn, dass sich aus den Umständen die Fehlerhaftigkeit der Angabe ergibt. Die Streitwertangabe enthebt das Gericht daher nicht der Notwendigkeit, diese anhand der Aktenlage und sonstiger Gegebenheiten unter Berücksichtigung seiner Erfahrung und in vergleichbaren Fällen erfolgter Wertfestsetzungen selbständig nachzuprüfen (KG v. 21.10.1997 - 5 W 5834/97, KGReport 1998, 170 [171]; s. a. Pastor/Ahrens/Ulrich, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 44 Rz. 31).

II. Diese Grundsätze gelten auch für die Wertfestsetzung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

1. Allerdings ist der Streitwert in diesen Verfahren im Regelfall niedriger anzusetzen als bei der Hauptsachenklage auf Unterlassung, da das Verfügungsverfahren nur auf die vorläufige Sicherung, nicht aber auf eine Verwirklichung des Anspruchs gerichtet ist (Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 12 Rz. 5. 12, m.w.N.). Auch wenn eine Unterlassungsverfügung das Verbot bereits tatsächlich durchsetzt, geschieht dies grundsätzlich nur vorläufig bis zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens. Davon ist auch der Senat in seiner ständigen Rechtsprechung zur Ermäßigung des Wertes des Verfügungsverfahrens ausgegangen (KG WRP 1977, 793 [795]; v. 3.3.1981 - 5 U 4535/79, WRP 1982, 157; v. 28.4.1988 - 25 W 2419/88, WRP 1989, 166).

Es besteht kein Anlass, davon abweichend nunmehr generell oder als Regelwert den Wert eines Verfügungsverfahrens und eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens gleich hoch zu bemessen (Baumbach/Hefermehl/Köhler, UWG, 23. Aufl., § 12 Rz. 5. 12; Harte/Heuning/Retzler, UWG, § 12 Rz. 842, m.w.N.; anders...

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