Leitsatz (amtlich)
Das Vollstreckungsverfahren bestimmt sich nach den §§ 86 ff. FamFG, auch wenn der zu vollstreckende Titel noch nicht in einem bereits dem FamFG unterfallenden Verfahren erwirkt wurde.
Der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG ist Vollstreckungsvoraussetzung und jedenfalls dann nicht durch eine Androhung von Zwangsmitteln nach § 33 FGG entbehrlich, wenn es um die Sanktionierung eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens geht.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 05.11.2010; Aktenzeichen 84 F 353/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AG Schöneberg vom 5.11.2010 aufgehoben.
Die Kosten des Ordnungsgeldverfahrens beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit - nach Zurückweisung der Beschwerde rechtskräftigem - Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 3.11.2009 ist der Umgang des Vaters mit den Kindern u.a. dahingehend geregelt, dass er die gesamten Osterferien 2010 mit ihnen verbringt. In diesem Beschluss ist für den Fall einer Zuwiderhandlung gem. § 33 FGG ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 EUR angedroht worden. Auf Antrag des Vaters hat das nunmehr örtlich zuständige AG Schöneberg mit Beschluss vom 5.11.2010 gem. § 89 FamFG ein Ordnungsgeld von 300 EUR gegen die Mutter festgesetzt, da sie das Umgangsrecht des Vaters in den Osterferien 2010 eingeschränkt habe, indem sie die von den Kindern mit dem Vater verbrachten Zeit eigenmächtig verkürzt habe.
Gegen diesen ihr am 23.11.2010 zugestellten Beschluss wendet sich die Mutter mit ihrer am 26.11.2010 per Telefax bei dem AG eingegangenen Beschwerde. Das Verfahren ist von dem Einzelrichter dem Senat zur Entscheidung übertragen worden.
II. Die gem. §§ 87 Abs. 4 FamFG, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg, da ein Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen die Umgangsregelung nicht hätte festgesetzt werden dürfen.
Das Vollstreckungsverfahren bestimmt sich nach den §§ 86 ff. FamFG, da es nach dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist. Unerheblich ist, dass der zu vollstreckende Titel noch nicht in einem bereits dem FamFG unterfallenden Verfahren erwirkt wurde (ebenso z.B. OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1594; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 1103; FamRZ 2010, 1366; OLG Hamm FGPrax 2010 166; Zöller/Geimer, 28. Aufl., Einl FamFG Rz. 47). Nach Art. 111 FGG-RG finden nur auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FamFG eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragt wurde, weiter die bis dahin geltenden Vorschriften Anwendung. Bei dem Vollstreckungsverfahren handelt es sich - wie bereits nach dem FGG (BGH MDR 1986, 1011; FamRZ 1981, 25; 90, 35; Jansen/v. König § 33 FGG Rz. 10) - um ein selbständiges Verfahren.
Hier fehlt es an dem gem. § 89 Abs. 2 FamFG erforderlichen Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel. Da dieser nicht - auch nicht nachträglich - erteilt worden ist, darf ein Ordnungsmittel nicht angeordnet werden (vgl. z.B. Stößer in Prütting/Helms, FamFG, § 89 Rz. 11). Dies gilt unabhängig davon, dass der Titel aus der Zeit vor dem 1.9.2010 stammt (OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1594; OLG Karlsruhe - 5. ZS - FamRZ 2010, 1103; OLG Hamm FGPrax 2010, 166; a.A. OLG Karlsruhe - 2. ZS - FamRZ 2010, 1366).
Der Senat (ebenso OLG Stuttgart, OLG Karlsruhe - 5. ZS -, OLG Hamm, je a.a.O.) vermag sich nicht der Ansicht des AG - und des 17. Zivilsenats des KG in seinem Beschluss vom 28.5.2010 (ebenso OLG Karlsruhe - 2. ZS - FamRZ 2010, 1366) - anzuschließen, dass der Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG wegen der Androhung von Zwangsgeld (§ 33 FGG) in dem Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 3.11.2009 entbehrlich ist. Denn zwischen den Zwangsmitteln nach dem außer Kraft getretenen § 33 FGG a.F. und den Ordnungsmitteln nach § 89 FamFG bestehen erhebliche Unterschiede. Bei den nach § 33 FGG a.F. festzusetzenden Zwangsmitteln handelte es sich um Beugemittel, die ausschließlich dazu dienten, die künftige Befolgung gerichtlicher Anordnungen zu erzwingen. Die mit dem FamFG zur Durchsetzung von Umgangsregelungen eingeführten Ordnungsmittel haben demgegenüber nicht nur Beuge-, sondern auch Sanktionscharakter (vgl. Begr. Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/6308, 218). Sie können deshalb auch dann noch festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die zu vollstreckende Handlung, Duldung oder Unterlassung - z.B. wegen Zeitablaufs - nicht mehr vorgenommen werden kann. Dieser weitergehenden Sanktionsmöglichkeit trägt die von der Gegenansicht vertretene Gleichstellung nach Auffassung des Senats nicht ausreichend Rechnung. Durch den Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG soll dem Verpflichteten vor Augen geführt werden, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen die gerichtliche Entscheidung haben kann. Dies geschieht nur unvollkommen, wenn allein die Möglichkeit eines Beugemittels, nicht aber auch eine nachträgliche Sanktionierung als eventuelle Konsequenz dargestellt wird.
Es kann offen bleiben, ob die Androhung eines Zwangsmitte...