Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle der Kollision des Nachfolgenden mit einem Vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer, der den linken Fahrstreifen befährt und zum Zwecke des Wendens durch einen Mittelstreifendurchbruch anhält, ergibt sich kein Anscheinsbeweis gegen den Wendenden.
2. Im Falle der Kollision des Nachfolgenden mit einem Vorausfahrenden Verkehrsteilnehmer, der zum Zwecke des Wendens sich nicht möglichst weit eingeordnet hatte, aus dem mittleren Fahrstreifen nach links gewechselt hat oder direkt vom Fahrbahnrand angefahren war, spricht jedoch gegen letzteren der Anscheinsbeweis für die schuldhafte Verursachung des Unfalls.
3. Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden greift nicht ein, wenn gegen die hintere Seite des Vorausfahrenden gestoßen wird; erforderlich ist vielmehr ein Anstoß gegen dass Heck, wobei bei den Anstoßstellen der Fahrzeuge wenigstens eine Teilüberdeckung von Heck und Front vorliegen muss.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 17 O 194/06) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 ZPO).
2. Der Antrag der des Klägers auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch aus einem Verkehrs-unfall vom 17.10.2005 gegen 10.40 Uhr auf der Wichertstraße in Berlin; die Kollision zwischen dem vom Kläger gehaltenen und von H.Y. geführten Pkw Honda Accord und dem von der Erstbeklagten gehaltenen, bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versicherten sowie von O.K. geführten Mietwagen (Pkw BMW) ereignete sich, als der Klägerfahrer beim Versuch, durch den Mittelstreifendurchbruch zu wenden, verkehrsbedingt anhalten musste und das Beklagtenfahrzeug gegen die hintere linke Seite des Honda stieß.
Die Zweitbeklagte lehnte die Regulierung des Schadens mit Schreiben vom 5.4.2006 ab, weil der Klägerfahrer von ganz rechts plötzlich nach links hinüber gezogen sei; demgegenüber hat der Haftpflichtversicherer des Klägers den gegnerischen Schaden unstreitig reguliert (vgl. auch Schreiben der Rechtsanwälte ... P. und A. vom 8.2.2006, Bl. 29 der vom LG beigezogenen Akten des Owi-Verfahrens 58.90.20099285.6 des Polizeipräsidenten in Berlin).
Das LG hat die Klage nach Beweisaufnahme am 28.4.2009 (Zeugnis des Klägerfahrers Y., sowie der Fußgänger N.J. und A.P.)) abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es dem Kläger nicht gelungen, den gegen den Klägerfahrer sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern, dass er als Wendender seinen Sorgfaltspflichten aus § 9 Abs. 5 StVO nicht genügt habe; den Angaben des Zeugen Y. sei nicht zu folgen; denn sie seien widersprüchlich und deshalb nicht glaubhaft und würden durch die überzeugenden Ausführungen der Zeugin P. widerlegt, dass er aus dem rechten Fahrstreifen nach links abgebogen sei.
Daher stehe fest, dass der Zeuge Y. seine Sorgfaltspflichten verletzt und den Unfall damit allein verursacht habe.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er nach wie vor eine Verurteilung der Beklagten nach einer Haftungsquote von 100 % erstrebt.
Er macht geltend: Das LG habe eine Fehlbewertung der vorliegenden Beweismittel vorgenommen; es erschließe sich auch nicht, wie das LG einen Anscheinsbeweis gegen den Klägerfahrer habe annehmen können; vielmehr sei der Beklagte gegen die linke Seite des Klägerfahrzeugs gestoßen und habe also die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet.
II. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Beides ist hier nicht der Fall. Der Senat folgt vielmehr den in Kern und Ergebnis zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet werden.
1. Beweiswürdigung des LG
Die Angriffe des Klägers gegen die Beweiswürdigung des LG verhelfen der Berufung nicht zum Erfolg. Die Beweiswürdigung des LG ist nicht zu beanstanden, sondern wird vom Senat geteilt.
a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.
Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (vgl. KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02; vgl. auch KG [22. ZS], KGReport Berlin 2004, 38 = MDR 2004, 533; KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02, KGReport Berlin 2004, 269).
§ 286 ZPO fordert den Richter auf, na...