Entscheidungsstichwort (Thema)
Eine "gerechte Entschädigung" i.S.v. Art. 41 EMRK gehört im Falle der Insolvenz des Betroffenen nicht zu der Insolvenzmasse
Normenkette
EMRK Art. 41; BGB § 399; ZPO § 851; InsO §§ 35-36, 80, 82
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 27.02.2008; Aktenzeichen 23 O 382/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 27.2.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 23 O 382/07 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Tatsächliche Feststellungen
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn J.G. von der Beklagten Zahlung einer dem Insolvenzschuldner durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (nachfolgend: EuGHMR) wegen einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) zuerkannten Entschädigung. Die Beklagte hat diesen Betrag in Kenntnis des Insolvenzverfahrens unmittelbar an den Insolvenzschuldner gezahlt. Der Kläger vertritt die Ansicht, der Entschädigungsanspruch sei im Hinblick auf die Wirkungen des Insolvenzverfahrens durch die Zahlung an den Insolvenzschuldner nicht erfüllt worden, sondern bestehe nach wie vor; der Betrag sei an ihn als Insolvenzverwalter zu leisten.
Im Einzelnen:
Der Insolvenzschuldner J.G. hat im Februar 2001 eine Individualbeschwerde beim EuGHMR gegen die Beklagte eingereicht, weil ein von ihm gegen die Stadt Saarbrücken geführtes Amtshaftungsverfahren nicht innerhalb angemessener Frist entschieden worden sei.
Später ist durch Beschluss des AG Saarbrücken vom 24.2.2004 - 63 IN 9/04, auf den Bezug genommen wird, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
Mit Schreiben vom 1. und 11.6.2004 hat der Kläger dem EuGHMR zu dem vom Insolvenzschuldner geführten Verfahren die Eröffnung des Insolvenzverfahrens angezeigt und um entsprechende Berichtigung des Rubrums gebeten. Mit Schreiben vom 17.6.2004 an den Kläger, auf das ebenfalls Bezug genommen wird, hat der EuGHMR eine Berichtigung des Rubrums abgelehnt, weil für das bei ihm anhängige Verfahren "weiterhin die Person, die den Antrag bei Gericht gestellt habe, als Antragsteller" gelte, selbst wenn "sie für insolvent erklärt worden" sei. "Der Insolvenzverwalter" trete "in diesem Verfahren nicht für diese Person ein".
Der Kläger hat auch der Beklagten spätestens mit Schreiben vom 22.9.2006 Mitteilung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemacht und im Hinblick auf die bevorstehende Entscheidung des EuGHMR Zahlung an sich zur Insolvenzmasse verlangt.
Mit Urteil vom 5.10.2006 (Individualbeschwerde Nr. 66491/01), auf das ebenfalls Bezug genommen wird, hat der EuGHMR dem Insolvenzschuldner als Ersatzanspruch wegen einer Amtspflichtverletzung durch überlange Verfahrensdauer 45.000 EUR für den immateriellen Schaden und 14.000 EUR für Kosten und Auslagen zuerkannt, zahlbar binnen 3 Monaten, nachdem "das Urteil endgültig" werde.
Die Beklagte hat den zuerkannten Betrag innerhalb der in dem Urteil des EuGHMR gesetzten Frist an den Insolvenzschuldner persönlich gezahlt.
Mit der Klage verlangt der Kläger Zahlung der dem Insolvenzschuldner insgesamt vom EuGHMR zuerkannten 59.000 EUR an sich zur Insolvenzmasse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, der Anträge und der Begründung der Entscheidung erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem das LG den Klageantrag auf Zahlung von 59.000 EUR mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig und den Klageantrag auf Zahlung von vorgerichtlichen Kosten des Klägers als unbegründet abgewiesen hat.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Er macht geltend, der Klage fehle es entgegen der vom LG vertretenen Ansicht nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Eine Vollstreckung aus dem Urteil des EuGHMR vom 5.10.2006 sei nicht möglich; die Erteilung einer Vollstreckungsklausel nicht vorgesehen. Die vom LG insoweit zitierten Bestimmungen seien auf Entscheidungen des EuGHMR nicht anwendbar.
In der Sache nimmt er auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug, mit dem er die Ansicht vertritt, der vom EuGHMR zuerkannte Anspruch sei pfändbar und falle daher in die Insolvenzmasse, durch die Zahlung an den Insolvenzschuldner persönlich habe daher Erfüllung nicht eintreten können, demgemäß könne er als Insolvenzverwalter Zahlung an sich zur Insolvenzmasse verlangen.
Der Kläger beantragt,
1. unter Abänderung des am 27.2.2008 verkündeten Urteils des LG Berlin - 23 O 382/07 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zur Insolvenzmasse 59.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.8.20...