Normenkette

StVO § 7 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 98/00)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.3.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin – 24 O 97/00 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung ist ohne Erfolg: Die Klägerin kann von den Beklagten keinen Ersatz – auch nicht nach einer Quote von 50 % – für ihre Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 25.11.1999 auf der W.-Straße in B. verlangen; das klagabweisende Urteil des LG ist i.E. richtig.

A. Die Abwägung der Verschuldens- und Verursachungsanteile der Beteiligten führt zu einer Alleinhaftung der Klägerin für die Unfallschäden.

I. Beruht ein Unfall für keinen der Beteiligten auf einem unabwendbaren Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG, bestimmt sich die Haftung nach den Verursachungs- und Verschuldensanteilen der Beteiligten, §§ 17, 18 StVG i.V.m. §§ 823, 254 BGB. Bei der Bildung der Haftungsquote werden allerdings nur bewiesene Umstände berücksichtigt, die sich tatsächlich unfallursächlich ausgewirkt haben.

II. Hiernach trifft die Klägerin am Zustandekommen des Unfalls ein Alleinverschulden, das eine Haftung der Beklagten wegen der Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges zurücktreten lässt.

1. Entgegen der Auffassung des LG scheidet eine Haftung der Beklagten nicht schon wegen Unabwendbarkeit des Unfalls i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG aus.

a) Unabwendbar mit der Folge eines Haftungsausschlusses nach § 7 Abs. 2 StVG ist ein unfallursächliches Ereignis, wenn es durch äußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, also die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, § 7 StVG Rz. 30 m.w.N.).

b) Ein solches außergewöhnlich sorgfältiges Verhalten, das auch mögliche Fahrfehler anderer Verkehrsteilnehmer berücksichtigt, hat keine Partei für sich behauptet und bewiesen. Zugunsten der Beklagten zu 2) folgt derartiges – entgegen der Auffassung des LG – aus dem unstreitigen Akteninhalt auch nicht.

2. Die Klägerin hat den gegen sie als Linksabbiegerin sprechenden Anschein unfallursächlichen Verschuldens nicht erschüttert.

a) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Ein Linksabbieger hat sein Fahrzeug möglichst weit links einzuordnen, und vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist durch entspr. Rückschau auf den nachfolgenden Verkehr zu achten. Entgegenkommende Fahrzeuge muss er zuvor durchfahren lassen (§ 9 Abs. 1, 3 StVO). Wer in ein Grundstück einbiegen will, muss zusätzlich die Anforderungen des § 9 Abs. 5 StVO beachten: Er muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

An diesen Pflichten ändert sich nichts, wenn ein Entgegenkommender dem Linksabbieger zu erkennen gibt, dass er ihm den Vortritt einräumt: diese sog. „gefährdende Höflichkeit” entbindet den Linksabbieger in ein Grundstück nicht davon, selbst sicherzustellen, dass von seinem Abbiegen keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeht (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, § 9 StVO Rz. 39 m.w.N.).

Ereignet sich in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Linksabbiegen ein Zusammenstoß des Linksabbiegers mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, dann spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der nach links abbiegende Kraftfahrzeugführer die ihm nach § 9 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt und so den Unfall schuldhaft verursacht hat (vgl. schon BGH v. 4.6.1985 – VI ZR 15/84, MDR 1985, 1016 = DAR 1985, 316). Allerdings kann der Linksabbieger diesen gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis erschüttern, indem er darlegt und beweist, dass er sich beim Abbiegen pflichtgemäß verhalten hat.

b) Die vorstehend dargestellten Pflichten trafen die Klägerin. Sie wollte von der W.-Straße nach links in einen gegenüberliegenden Parkplatz einfahren. Damit oblag es ihr u.a. nicht nur, sich zu vergewissern, dass keine entgegenkommenden Fahrzeuge durch das beabsichtigte Linksabbiegen gefährdet werden könnten; sie war nach dem Gesetz verpflichtet, eine solche Gefährdung durch entspr. Vorsicht auszuschließen. Ein solches Verhalten hat die Klägerin nicht dargelegt und bewiesen und folglich den gegen sie sprechenden Anschein nicht erschüttert.

(1) Aus ihren Angaben bei der persönlichen Anhörung durch das LG (Bl. 73 f. d.A.) ist nicht ersichtlich, ob und in welcher Weise sie sich vergewissert hat, dass keine Fahrzeuge aus ihrer Sicht links neben dem Mercedes auf der Gegenfahrbahn herangefahren kamen, dessen Fahrer ihr zum Abbiegen Vorrang eingeräumt hatte. Nach ihrer Darstellung, die sie mit Schriftsatz vom 12.7.2001 bestätigt hat (Bl. 124 d.A.), hat sie auf den Fußgängerverkehr und den Radfahrerverkehr geachtet. Die Wege von Fußgängern und Radfahrern hätte die Klägerin jedoch bei ihrem Abbiegen erstmals im Bereich des...

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