Leitsatz (amtlich)
1. Die sogen. erweiterte Schlüsselklausel in der Einbruchdiebstahlversicherung, wonach ein Einbruchdiebstahl auch dann vorliegt, wenn der Täter "in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat", stellt eine primäre Risikobeschreibung dar und keine sogen. verhüllte Obliegenheit.
2. Die Klausel hält der Wirksamkeitskontrolle gemäß § 307 BGB stand, insbesondere weicht sie nicht von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§§ 28, 81 VVG) ab und genügt dem Transparenzgebot.
3. Bei der fehlenden Fahrlässigkeit des (berechtigten) Schlüsselbesitzers handelt es sich um eine Voraussetzung für das Bestehen des Versicherungsschutzes, deren Vorliegen der Versicherungsnehmer beweisen muss.
Normenkette
BGB § 307; GWW 2014 § 28; VVG §§ 28, 81
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 15.10.2019; Aktenzeichen 24 O 194/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15.10.2019, Az. 24 O 194/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung aus diesem und dem erstinstanzlichen Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist selbständiger Getränkefachhändler in Berlin und beliefert Gaststätten, Kneipen, Bars und Restaurants mit Getränken aller Art.
Der Kläger hat bei der Beklagten seit dem 01.11.2016 eine Hausratversicherung abgeschlossen.
Dem Vertrag liegen unter anderem die "Gothaer Wohnung&Wert-Versicherungsbedingungen (GWW 2014)" (Anlage K 1, im Folgenden nur "GWW 2014") zugrunde.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen in diesen Versicherungsbestimmungen lauten:
Teil B: Besonderer Teil der Versicherungsbedingungen
"I. Schutz des Hausrats und Schutz vor Glasbruchschäden (Sachschutz)
§ 27 Welche Gefahren und Schäden sind versichert?
Wir leisten Entschädigung für versicherte Sachen, die durch
1. Brand, Blitz (...), Explosion...
2. Einbruchdiebstahl, Raub, Vandalismus nach Eindringen sowie Raub...
3. (...)
zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen (Sachschutz).
§ 28 Wie sind die versicherten Gefahren definiert, und wie weit geht der Versicherungsschutz?
1. Brand, Rauch, Ruß, Verpuffung, Überschallknall
(...)
2. (...)
4. Einbruchdiebstahl, Raub und Vandalismus
a) Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Täter
- in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels falscher Schlüssel oder anderer Werkzeuge eindringt. Ein Schlüssel ist falsch, wenn (...)
- (...)
- in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt oder dort ein Behältnis mittels richtiger Schlüssel öffnet, die er durch Einbruchdiebstahl oder Raub an sich gebracht hat;
- in einen Raum eines Gebäudes mittels richtiger Schlüssel eindringt, die er ohne fahrlässiges Verhalten des berechtigten Besitzers durch Diebstahl an sich gebracht hat;
- (...)".
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, ihm sei am 17.08.2017 während der Belieferung einer Gaststätte aus seinem verschlossenen Lieferfahrzeug seine Aktentasche entwendet worden, in der sich unter anderem Rechnungen mit seiner Wohnanschrift sowie sein Schlüsselbund mit dem daran befindlichen Wohnungs- und Tresorschlüssel befunden habe, mit denen nur kurze Zeit später seine Wohnung betreten und der im Flur befindliche Tresor geöffnet und diverse Wertgegenstände (u.a. Laptop, Handy, Handtasche, Jacken, Goldmünzen, Uhren, Schmuck) im Wert von insgesamt 37.413,25 EUR sowie Bargeld in Höhe von 27.000,00 EUR (insgesamt also 64.413,25 EUR) entwendet worden seien. Wegen der einzelnen Gegenstände und den dazu gehörigen Wertangaben des Klägers wird auf die Aufstellung in der Klageschrift, Seiten 8 bis 10 (Bd. I Bl. 8 - 10 d.A.) Bezug genommen. Bis auf den Laptop, das Handy, zwei Lederjacken, die Handtasche und die Sonnenbrille hätten sich sämtliche Gegenstände im Tresor befunden. Weil sowohl der Einkauf der Getränke als auch deren Verkauf meistens mit Barzahlungen abgewickelt werde, habe er regelmäßig größere Summen an Bargeld zu Hause im Tresor verwahrt.
Der Kläger hat weiter behauptet, dass er den Schlüsselbund während der Auslieferung der Getränke stets in der Aktentasche im Fahrzeug lasse, weil er für die teils schwere körperliche Arbeit beim Ausliefern der Getränke beide Hände benötige und das Tragen des Schlüsselbunds in der Hosentasche dabei hinderlich sei und Schmerzen verursache.
Die elektrische Schließfunktion des Fahrzeugschlüssels habe nicht mehr funktioniert, so ...