Harald Kinne, Hans-Jürgen Bieber
Rz. 1
§ 569 Abs. 1 statuiert ergänzend zu § 543 einen weiteren wichtigen Kündigungsgrund für die Wohnraummiete bei gesundheitsgefährdender Beschaffenheit der Mieträume. Gemäß § 578 Abs. 2 Satz 3 besteht das Kündigungsrecht auch für Räume, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt sind (OLG Brandenburg, Urteil v. 7.2.2017, 6 U 169/14, ZMR 201, 387, gemäß § 578 Abs. 3 für Mieter von Räumen für Personen mit dringendem Wohnungsbedarf, gemäß § 581 Abs. 2, 594e Abs. 1 außerdem für Pächter). Die Vorschrift gilt seit 1.9.2001.
Der Mieter – nicht der Vermieter – kann fristlos kündigen, wenn der gemietete Wohnraum – oder der Raum, der zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist – so beschaffen ist, dass seine Benutzung mit einer erheblichen Gefährdung der Gesundheit verbunden ist. In beiden Fällen kann der Mieter auch dann kündigen, wenn er die Gefahr bringende Beschaffenheit bei dem Abschluss des Vertrags gekannt oder darauf verzichtet hat, die ihm wegen dieser Beschaffenheit zustehenden Rechte geltend zu machen (OLG Brandenburg, Urteil v. 7.2.2017, 6 U 169/14, ZMR 2017, 387; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 6); ist der beanstandete Zustand leicht zu beheben, ist dem Vermieter Gelegenheit zur Abhilfe zu geben (OLG Düsseldorf, Urteil v. 20.12.2001, 10 U 143/00, WuM 2002, 267 = ZMR 2002, 512; OLG Koblenz, NJW-RR 1992, 1228). Das daneben bestehende Kündigungsrecht gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 bleibt unberührt.
Sonstige Mieterrechte bleiben daneben bestehen (Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 7). Der Wohnraummieter kann bis zur Beendigung des Mietverhältnisses weiterhin Mängelbeseitigung (§ 535 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2) verlangen, die Miete mindern (§ 536), Ersatz der Mängelbeseitigungskosten (§ 536a Abs. 2) bzw. einen Vorschuss dafür oder Schadensersatz wegen anfänglicher Mängel, später zu vertretendender Mängel oder wegen Verzuges des Vermieters mit der Mängelbeseitigung (§ 536a Abs. 1) verlangen oder gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 fristlos kündigen.
Rz. 2
§ 569 Abs. 1 gilt einmal für den gemieteten Wohnraum. Das sind die zum Wohnen vermieteten Räume, ohne dass es auf die tatsächliche Nutzung ankommt. Dazu gehören auch die Nebenräume. Ist nur ein Teil der Wohnung gesundheitsgefährdend, besteht ein Kündigungsrecht nur dann, wenn dadurch die Benutzbarkeit der Wohnung als Ganzes erheblich beeinträchtigt ist (OLG Brandenburg, Urteil v. 7.2.2017, 6 U 169/14, ZMR 2017, 387; OLG Brandenburg, Urteil v. 2.7.2008, 3 U 156/07, ZMR 2009, 190; LG Berlin, Urteil v. 16.11.2004, 63 S 174/04, GE 2005, 57; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 21). Insoweit kommt es darauf an, welche Bedeutung die von der Gesundheitsgefährdung betroffenen Räume für den Mieter haben (AG Köln, NJW-RR 1987, 972 = WuM 1987, 120). Eine Teilkündigung nur der gesundheitsgefährdenden Räume scheidet aus (Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 9).
Die zum Aufenthalt von Menschen bestimmten Räume sind diejenigen, die vertragsgemäß zumindest vorübergehend von Menschen benutzt werden sollen (Läden, Büros, Werkstätten, Fabrikhallen, Küchen, Bier- und Weinkeller, Säle, Krankenräume, Wartezimmer, Tresorräume einer Bank mit Publikumsverkehr, Heizungskeller). Auch Räume zur Tierhaltung können dazugehören (OLG Koblenz, Urteil v. 5.12.1992, 3 U 1765/91, a. a. O.; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 6), nicht dagegen Verschläge in Kellern und Böden oder Kühlräume (a.A, Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 6.
Rz. 3
Entscheidend ist die gesundheitliche Gefährdung des Mieters. Erfasst wird die Gesundheitsgefährdung aller Personen, die sich in den Räumen aufhalten, also neben derjenigen des Mieters selbst auch diejenige der Mitbewohner, Untermieter, Angehörigen, Angestellten, Besucher oder Kunden des Mieters (BGH Urteil v. 17.12.2003, XII ZR 308/00, GE 2004, 294).
Betroffenheit eines Nutzers ausreichend
Es müssen nicht alle Nutzer betroffen sein, die erhebliche Betroffenheit eines (ständigen) Nutzers ist ausreichend (Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 10).
Das Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen gesundheitsgefährdender Beschaffenheit der Mieträume steht grundsätzlich auch dem (hier: gewerblichen) Zwischenmieter im Verhältnis zum Hauptvermieter zu (BGH, Urteil v. 17.12.2003, XII ZR 308/00, a. a. O.; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 12; a. A. Blank, NZM 2004, 249, m. w. N.).
Die gesundheitliche Beeinträchtigung braucht noch nicht eingetreten zu sein, erforderlich ist aber die naheliegende Wahrscheinlichkeit oder erhebliche Befürchtung einer Beeinträchtigung der Gesundheit oder körperlichen Unversehrtheit mit Krankheitscharakter (OLG Brandenburg, Urteil v. 7.2.2017, 6 U 169/14, ZMR 2017, 38; OLG Brandenburg, Urteil v. 2.7.2008, 3 U 156/07, ZMR 2009, 190; OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.1.2010, 10 U 74/09, MietRB 2010, 134; KG, Urteil v. 22.9.2003, 12 U 15/02, GE 2004, 47; KG, Urteil v. 26.2.2004, 12 U 1493/00, GE 2004, 688; LG Lübeck, ZMR 2002, 431; LG Lübeck, NZM 1998, 190; AG Bergisch Gladbach, Urteil v. 15.2.2018, 60 C 436/15, juris; Schmidt-Futterer/Streyl, § 569 Rn. 13; weitergehend Eisenschm...