Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Urteil vom 19.06.2000; Aktenzeichen 104 C 10/00) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 19. Juni 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 104 C 10/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Von der Darstellung eines Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist gemäß §§ 511, 511 a ZPO statthaft und wahrt die Formen und Fristen der §§ 516, 518 und 519 ZPO. Sie ist zulässig und aber unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung des Nettokaltmietzinses für September bis einschließlich November 1999 von jeweils 1.476,00 DM und für Dezember 1999 in Höhe von 776,00 DM, insgesamt 5.204,00 DM, gemäß §§ 152 Abs. 2, 148 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 2, 21 Abs. 2, 57 b ZVG i.V.m. §§ 535, 1123 und 573, 574 a.F. (§§ 566 b, 566 c n.F.) BGB.
Der Einwand der Erfüllung (§ 362 BGB) greift nicht durch. Gemäß § 1123 Abs. 2 S. 1 BGB umfaßt die Beschlagnahme der Hypothekengläubigerin Mietzinsforderungen, die bis zu einem Jahr vor der Wirksamkeit der Beschlagnahme gegenüber dem Drittschuldner fällig geworden sind. Dies ist vorliegend gegeben, da die Beschlagnahme spätestens mit positiver Kenntnis des Beklagten im Januar 2000 gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 ZVG ihm gegenüber wirksam wurde.
Ob der Beklagte den Streitgegenständlichen Mietzins im voraus an den Zeugen … von Derschau gezahlt hat, kann dahingestellt blieben, da diese Verfügung jedenfalls gegenüber der Hypothekengläubigerin gemäß § 1124 Abs. 2 BGB unwirksam wäre. Danach ist eine Verfügung gegenüber dem Hypothekengläubiger unwirksam, soweit sie sich auf den Mietzins für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat bezieht (Vorausverfügung). Erfolgt die Beschlagnahme nach dem 15. eines Monats, so ist die Verfügung auch für den Folgemonat noch wirksam. Abs. 2 ist nur dann nicht anwendbar, wenn der Mietzins für die ganze Vertragsdauer im voraus zu entrichten ist (Palandt-Bassenge, BGB, 59. Aufl., § 1124, Rn. 6) oder es sich um einen Baukostenzuschuß handelt (BGH NJW 1959, 380). Abs. 2 ist demgegenüber bereits dann seinem Zweck nach anwendbar, wenn nach der ursprünglichen Vertragsabrede der vereinbarte Mietzins nach Zeitabschnitten (auch jährlich) im voraus fällig ist (BGHZ 37, 346; BGH NJW 1998, 595). Erst Recht ist er in dem vorliegenden Fall einer im laufenden Mietverhältnis – nachträglich – erfolgten Abrede der Vorauszahlung zwischen Mieter und Vermieter einschlägig (RG JW 1933, 1658).
Eine wirksame Beschlagnahme der Mietzinsforderungen ist aufgrund des schriftlichen Zahlungsverbots vom 20.07.1999 erfolgt. Da der Beschluß des Amtsgerichts Schöneberg nicht gemäß § 57 b Abs. 2 S. 2 ZVG zugestellt wurde, kommt es für die Wirksamkeit auf die Kenntnisnahme des Beklagen an, § 22 Abs. 2 S. 2 ZVG. Dabei kann unterstellt werden, daß der Beklagte das Schreiben nicht tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Der Beklagte muß sich gemäß § 242 BGB jedoch so behandeln lassen, als ob ihm das Schreiben vom 20.07.1999 zugegangen wäre.
Nach der Rechtsprechung muß derjenige, der aufgrund bestehender oder angebahnter vertraglicher Beziehungen mit dem Zugang rechtserheblicher Erklärungen zu rechnen hat, geeignete Vorkehrungen treffen, daß ihn derartige Erklärungen auch erreichen (RGZ 110, 34 [36]; BGHZ 67, 271 [278]; BGH NJW 1998, 976, [977] m.w.N.). Werden solche Zugangsvorrichtungen nicht bereitgestellt, so kann darin regelmäßig ein Verstoß gegen die durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen oder den Abschluß eines Vertrages begründeten Sorgfaltspflichten gegenüber dem Vertragspartner liegen (vgl. RGZ 110, 34 [36]; BGH NJW 1998, 976 [977]). Der Erklärungsempfänger muß eine Erklärung als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn dieser Sorgfaltsverstoß innerhalb der vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehungen so schwer wiegt, daß es gerechtfertigt ist, den Adressaten nach Treu und Glauben so zu behandeln, als habe ihn die infolge seiner Sorgfaltsverletzung nicht zugegangene Willenserklärung doch erreicht. Dies ist der Fall, wenn der Erklärende seinerseits die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erfüllt hat. Hierzu muß er alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan haben, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte. Dazu gehört in der Regel, daß er nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich einen erneuten Versuch unternimmt, seine Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers zu bringen, daß diesem ohne weiteres eine Kenntnisnahme ihres Inhalts möglich ist (RGZ 110, 34 [37]; BGH NJW 1998, 976 [977]). Dies folgt daraus, daß eine empfangsbedürftige Willenserklärung Rechtsfolgen grundsätzlich erst dann auslöst, wenn sie zugegangen ist.
Ein wiederholter Zustellungsversuch des Erklärenden ist indes entbehrlich, wenn der Adressat – in Erwartung einer vertragsrelevanten Erklärung des Vertragspartners – die Annahme der an ihn gerichteten schriftlichen Erklärung grundlos verweigert (BGH NJW 1983, 929 [930]; BGH NJW 1998, 976 [977]) ...