Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 22.04.2021; Aktenzeichen 221 C 235/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 221 C 235/20 – vom 22. April 2021 abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auch für den zweiten Rechtszug auf 7.100,16 EUR (12 × 591,68 EUR) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagte ist Mieterin einer Dreizimmerwohnung im 1. OG eines Mehrfamilienhauses, die sie als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern im Alter von 11 und 13 Jahren bewohnt. Die Mietzahlungen erbringt schon seit Jahren unmittelbar das zuständige Jobcenter. Im Zeitraum September 2019 bis Januar 2020 wurde keine Miete gezahlt, und auch die Nachzahlung auf die Nebenkostenabrechnung 2018 vom 16. Dezember 2019 in Höhe von 487,58 EUR blieb aus. Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 15. Januar 2020 wegen eines Rückstands an laufender Miete von insgesamt 3.687,68 EUR (268,85 EUR + 3 × 846,28 EUR + 879,99 EUR) sowie der Nebenkostennachforderung von 487,58 EUR, in Summe 4.175,26 EUR, fristlos, hilfsweise ordentlich; auf das Kündigungsschreiben Bl. I/34 d. A. wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen. Durch Zahlungen des Jobcenters vom 20. Januar 2020 wurden die offenen Forderungen bis auf einen Restbetrag von 488,93 EUR ausgeglichen. Da der Rückstand bis dahin immer noch nicht vollständig ausgeglichen worden war, erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 3. Juni 2020 erneut die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Daraufhin beglich die Beklagte am 18. Juni 2020 die offene Restforderung. Weiterer Anlass für die Kündigungserklärung vom 3. Juni 2020 war ein Polizeieinsatz in der vermieteten Wohnung, in dessen Zuge die Wohnungstür beschädigt wurde und der für Unruhe im Haus sorgte; zu den Details und einem etwaigen Verschulden der Beklagten an diesem Geschehen hat die Klägerin allerdings nicht vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des Sach- und Streitstandes einschließlich der zur Entscheidung gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils verwiesen, welches der Beklagten am 2. Juni 2021 zugestellt worden ist.
Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Räumung der Wohnung verurteilt. Zwar sei die fristlose Kündigung vom 15. Januar 2020 gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB durch die nachfolgenden Zahlungen unwirksam geworden. Die ordentliche Kündigung habe jedoch weiterhin Bestand; der Verzug mit mehr als einer Monatsmiete über nahezu fünf Monate stelle eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung dar. Hiergegen richtet sich die Beklagte mit der am 2. Juli 2021 eingegangenen und nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 2. September 2021 begründeten Berufung.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 27. September 2021 darauf hingewiesen, dass sie der Ansicht der Zivilkammer 66 zuneige, wonach auch die ordentliche Kündigung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB durch eine Schonfristzahlung unwirksam werde. Eine wirksame Schonfristzahlung sei hier wohl bereits am 20. Januar 2020 erfolgt, da der Rückstand an laufender Miete bis auf einen Bagatellbetrag von weniger als 1,50 EUR nahezu vollständig getilgt worden sei; auf den offenen Abrechnungssaldo habe die Klägerin die außerordentliche Kündigung nicht stützen können. Selbst wenn die ordentliche Kündigung nicht nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam geworden sei, müsse jedenfalls geklärt werden, ob das Verschulden der Beklagten in Folge der kurz nach Zugang der Kündigung erfolgten Zahlung in einem milderen Licht zu sehen sei. Die Kündigungserklärung vom 3. Juni 2020 könne das Räumungsbegehren der Klägerin nicht tragen, da sie allein auf die offene Nebenkostennachforderung gestützt sei, die deutlich hinter dem Betrag einer Monatsmiete zurückbleibe.
Die Beklagte trägt vor, das Jobcenter habe zunächst jegliche Zahlungen eingestellt, nachdem sie dort im September 2019 angezeigt habe, dass sie sich als Kosmetikerin selbständig machen wolle. Die Prüfungen der Behörde hätten sich über Monate hingezogen, weshalb sie der Klägerin – das ist unstreitig – am 12. September 2019 handschriftlich sowie am 13. und 17. Oktober 2019 telefonisch mitgeteilt habe, dass sich die Mietzahlung leider verzögere. Am 18. November 2019 habe das Jobcenter auf telefonische Rückfrage bestätigt, dass die Miete übernommen werde, die Bearbeitung des Antrages aber noch andauere; dies habe sie der Klägerin – auch das ist unstreitig – am 18. November 2019 handschriftlich und am 3. Dezember 2019 telefonisch erläutert. Am 5. Dezember 2019 habe die Beklagte we...