Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrlässigkeit. subjektive Verhersehbarkeit. Mieter. Balkon. Schnee
Leitsatz (amtlich)
Zur subjektiven Verhersehbarbeit eines möglichen Schadens in der Wohnung eines anderen Mieters, der durch Schmelzwasser auf dem Balkon der eigenen Mietwohnung entstanden sein kann.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 276 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Detmold (Entscheidung vom 14.11.2011; Aktenzeichen 8 C 211/11) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts
Detmold vom 14.11.2011 wird auf ihre Kosten nach einem
Gegenstandswert von 2.863,55 € zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A.
Kläger und Beklagte bewohnen in dem Mietshaus C-str. 5a in E zwei übereinanderliegende Wohnungen mit Balkonen. Die Beklagte bewohnt die Dachgeschosswohnung. Im Winter 2010 kam es zu erheblichen Schneefällen. Dieser sammelte sich auch auf dem Balkon der Beklagten. Die Kläger bemerkten Feuchtigkeitsschäden an der Decke und im Mauerwerk ihrer Wohnung. Sie sprachen bei der Beklagten vor und baten diese ihren Balkon von Schnee, Eis und Tauwasser zu befreien. Dieses hatte sich auf dem Balkon angesammelt. Der Ablauf für das Wasser war zugefroren. Dieser Ablauf befindet sich im Boden des mit Platten belegten Balkons und ist für die Beklagte nicht zugänglich. Nachdem die Kläger die Beklagte auf die Feuchtigkeitseintritte in ihrer Wohnung hingewiesen hatten, wurde der Balkon mit deren tatkräftiger Unterstützung von Schnee und Eis befreit.
Die Kläger haben behauptet, das auf dem Balkon abtauende Wasser habe die Isolierung des Balkons zum Mauerwerk hin überstiegen und sei durch das Außenmauerwerk nach innen in die Wohnung der Kläger eingedrungen. Sie haben die Meinung vertreten, dass die Beklagte nicht die nötigen Anstrengungen unternommen habe, um das Eindringen des Schmelzwassers in das Mauerwerk zu verhindern. Bei einem Blick aus dem Fenster wäre es für sie offensichtlich gewesen, dass der Balkon die Schnee- und Wassermassen nicht hinreichend hätte aufnehmen und abführen können. Die Beklagte sei von ihnen mehrfach gebeten worden, den Balkon vom Schnee zu befreien.
Aus diesem Pflichtversäumnis heraus seien ihnen ein Schaden in Höhe von insgesamt 2.863,55 Euro entstanden. Dieser setzte sich aus Kosten für Tapezieren und Streichen in Höhe von 1.591,78 Euro, Reinigungskosten für Gardinen in Höhe von 189,08 Euro und Auslagerungskosten für Möbel in Höhe 1.082,69 Euro zusammen. Soweit es sich hier um Schadensersatzansprüche der Vermieterin handeln würde, haben sich die Kläger auf eine Anspruchsabtretung berufen.
Die Beklagte hat behauptet, dass die Wasserschäden allenfalls durch Risse im Mauerwerk des Hauses entstanden seien. Dies läge nicht in ihrem Verantwortungsbereich.
Mit Urteil vom 14.11.2011 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Schaden nicht schuldhaft verursacht. Ein Balkon müsse von seiner baulichen Konstruktion her so beschaffen sein, dass auch im Falle starken Regens oder Schneefalls ein Eindringen von Regen oder Schmelzwasser in das umgebende Mauerwerk ausgeschlossen sei. Sei dies bauartbedingt nicht der Fall, sei es Sache des Vermieters auf andere Weise die technischen Vorkehrungen dafür zu treffen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Das Amtsgericht habe zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch aus einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis verneint. Das Gericht stütze sich hierbei zwar auf die Kommentierung bei Palandt. Gerichte seien jedoch nicht an "irgendwelche Kommentatoren" in "irgendwelchen Kommentaren" gebunden, sondern an das Gesetz und ihr Gewissen. Das Gericht habe übersehen, dass zwischen den Parteien zu keiner Zeit Streit über die bauliche Beschaffenheit des Balkons bestanden habe. Der Balkon sei nach dem Stand der Technik errichtet und die Abdichtung gegen Feuchtigkeit sei fachgerecht. Die Ursache für den Schaden habe vielmehr darin gelegen, dass die Mieterin den Balkon sehenden Auges habe vereisen lassen mit der Folge, dass das Tauwasser über die seitliche Abdichtung angestiegen und sogar vor der Scheibe der Balkontür gestanden habe. Die Beklagte habe dafür sorgen müssen, dass der Abfluss auf ihrem Balkon nicht durch Laub oder Eis verstopft werde. Außerdem sei es unstreitig, dass die Beklagte von den übrigen Bewohnern des Hauses und insbesondere von den Klägern aufgefordert worden sei, die Schneemassen vom Balkon zu beseitigen, um die Gefahr eines Feuchtigkeitsschadens auszuschließen. Dieser Aufforderung sei die Beklagte bewusst nicht nachgekommen, weil sie den Schnee auf dem Balkon optisch ansprechend gefunden habe. Darüber hinaus seien die Blumentöpfe auf dem Balkon der Beklagten so angeordnet gewesen, dass sich zwischen und hinter ihnen Schnee sammeln und dann zu Eis werden konnte. Dadurch sei eine Barriere entstanden, die ein Abfließen des Wassers verhindert habe.
Die Berufungserwiderung verteidigt das Urteil. Insbesondere sei die Beklagte nicht unstreitig von den übrigen Bewohnern des Hauses und von den Klägern aufgefordert worden,...