Verfahrensgang
AG Halle-Saalkreis (Urteil vom 27.05.2021; Aktenzeichen 96 C 1358/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 27.05.2021 – Az.: 96 C 1358/19 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht Halle (Saale) zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem beendeten Mietverhältnis.
Die Kläger mieteten vom Beklagten mit Vertrag vom 10.04.2015 eine Wohnung in der … in …. Das Mietverhältnis begann am 01.06.2015 und endete am 31.12.2018. Die Rückgabe der Wohnung erfolgte am 20.12.2018. Es wurde ein Protokoll gefertigt, das die Kläger nicht unterzeichneten. Der Kläger hat die Wohnung zwischenzeitlich verkauft.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass ein Zahlungsanspruch des Beklagten in Höhe von 18.376,94 EUR, dessen sich der Beklagte außergerichtlich mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 03.05.2019 berühmt hat, nicht besteht. Widerklagend begehrt der Beklagte nach teilweiser Rücknahme und Erweiterung der Widerklage sowie teilweiser einseitiger Erledigungserklärung, von den Beklagten als Gesamtschuldner die Zahlung von insgesamt 14.916,73 EUR sowie die Feststellung, dass sich die Widerklage insoweit erledigt hat, als er ursprünglich begehrt hat, festzustellen, dass die Kläger als Gesamtschuldner für die weiteren vorhandenen Substanzschäden einstandspflichtig sind.
Mit Teilurteil vom 27.05.2021 hat das Amtsgericht die Widerklage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen und ansonsten von der weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1, 543 Abs. 1, 544 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache insoweit Erfolg, als dass es bei der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche durch den Beklagten im Rahmen der Widerklage nicht darauf ankommt, ob der Geschädigte erst fiktiven Schadensersatz geltend macht und die beschädigte Sache dann verkauft oder umgekehrt (1.). Die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung liegen vor (2.).
1.
a) Die Kammer hält die Geltendmachung von fiktivem Schadensersatz im Mietrecht grundsätzlich für möglich.
Der Beklagte macht im Wege der Widerklage fiktive Schadensersatzansprüche wegen Substanzschäden an den Fenstern, an der Natursteinplatte des Kamins, den Wandfliesen im Kinderbad im 2. OG und der Dusche im Hauptbad im 1. OG geltend. Das Amtsgericht hat die Widerklage mit der Begründung abgelehnt, dass kein fiktiver Schadensersatzanspruch bestehe. Der Beklagte habe keinen Schaden im Vermögen dargetan. Er habe die Schäden an der Mietwohnung nicht beseitigt und daher keinen Vermögensverlust erlitten. Vielmehr habe der Beklagte die Wohnung veräußert. Ein Mindererlös sei nicht geltend gemacht worden. Dem folgt die Kammer nicht.
Schäden an der Sachsubstanz der Mietsache, die durch eine Verletzung von Obhutspflichten des Mieters entstanden sind, hat dieser – auch nach Beendigung des Mietverhältnisses – nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB als Schadensersatz neben der Leistung nach Wahl des Vermieters durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Geldzahlung (§ 249 Abs. 2 BGB) zu ersetzen.
Denn bei der Verpflichtung des Mieters, die ihm überlassenen Mieträume in einem dem vertragsgemäßen Gebrauch nach Maßgabe von § 538 BGB entsprechenden Zustand zu halten, insbesondere die Räume aufgrund der aus der Besitzübertragung folgenden Obhutspflicht schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer von § 538 BGB nicht mehr gedeckten Verschlechterung führen kann, handelt es sich um eine nicht leistungsbezogene Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, deren Verletzung allein nach den in § 280 Abs. 1 BGB geregelten Voraussetzungen eine Schadensersatzpflicht begründet (BGH, Urteil vom 27. Juni 2018 – XII ZR 79/17).
Ob der Geschädigte für die erlittenen Vermögensschäden fiktiven Schadensersatz verlangen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teile der Literatur vertreten die Auffassung, dass eine fiktive Schadensberechnung sowohl bei Beschädigungen einer Sache als auch bei sonstigen Vermögensschäden möglich sein müsse (Flume, in: BeckOK BGB, Hau/Poseck, 64. Edition Stand: 01.05.2022, § 249 Rn. 213; MüKoBGB/Oetker, 9. Auflage 2022, § 249 Rn. 377 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Auflage 2020, § 249 BGB Rn. 14 jeweils m.w.N.). Andere lehnen eine fiktive Schadensberechnung ab (vgl. Lehmann-Richter, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, 538 Rn. 136; Staudinger/Höpfner (2021) BGB § 249, Rn. 228 ff. m.w.N.).
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, der sich die Kammer anschließt, räumt die bei einem Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB uneingeschränkt anwendbare Bestimmung des § 249 BGB dem Geschädigten die Wahlmöglichkeit ein zwischen der in Absatz 1 vorgesehe...