Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 29.11.2011; Aktenzeichen 483 C 14315/11 WEG)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers zu 3) wird das Endurteil des Amtsgerichts München vom 29.11.2011 aufgehoben.

II. Der in der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 5. Mai 2011 zu TOP 2 gefasste Beschluss mit der Nr. 24.2011, dass die gefassten Beschlüsse der Beschlussanträge 11.2011 und 12.2011 aus der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 14.04.2011 aufrecht erhalten bleiben, wird für ungültig erklärt.

III. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 4.000,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen entbehrlich, da gegen das vorliegende Urteil unzweifelhaft kein Rechtsmittel zulässig ist (Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 540 Rn. 5 m.w.N.). Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist ausgeschlossen, da es sich vorliegend um eine Wohnungseigentumssache gemäß § 43 Nr. 4 WEG handelt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß §§ 511 Abs. 1 Nr. 1, 517, 519 ZPO form- und fristgerecht und unter Beachtung der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen eingelegte Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 29.12.2011 war aufzuheben und der angefochtene Eigentümerbeschluss 24.2011 vom 5. Mai 2011 für ungültig zu erklären. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 WEG, wonach bauliche Veränderungen nur beschlossen werden können, wenn alle Eigentümer zustimmen, die durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus benachteiligt werden. Dies ist hier nicht der Fall; die Kläger haben nicht zugestimmt.

1. Bei dem beschlossenen Farbkonzept hinsichtlich des Neuanstrichs der Fassade handelt es sich um eine unter § 22 Abs. 1 WEG fallende Maßnahme, also um eine bauliche Veränderung, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinaus geht. Zu den baulichen Veränderungen gehören insbesondere Veränderungen an der äußeren Gestaltung des Gebäudes (vgl. § 5 Abs. 1 WEG), also des architektonisch-ästhetischen Bildes, auch der Farbgebung, jedenfalls soweit diese den Gesamteindruck der Anlage beeinflusst (Weitnauer-Lüke, WEG, 9. Aufl. 2005, § 14 Rn. 2 m.N.).

Vorliegend haben die Wohnungseigentümer den Neuanstrich dazu genutzt das Gesamterscheinungsbild des Gebäudes gezielt zu verändern. Damit gehen sie über die bloße Instandhaltung, für die es ausgereicht hätte, die Fassade in der alten Farbe neu zu streichen, hinaus (vgl. OLG Hamburg, WOM 2005, 357, zitiert bei Juris, Rn. 16). Die bloße Änderung der Farbgebung kann eine bauliche Veränderung darstellen (KG NJW-RR 1993, 1105; OLG Hamburg, a.a.O., zitiert bei Juris, Rn. 16).

Bei Änderungen der Fassade durch einen Neuanstrich kann eine Beeinträchtigung im Sinne von §§ 22, 14 Nr. 1 WEG insbesondere in einer nicht nur unerheblichen nachteiligen Veränderung des optisch-architektonischen Gesamteindrucks der Anlage bestehen. Dabei gilt, dass nicht jede wesentliche Veränderung des optischen Gesamteindrucks als nachteilig einzustufen ist (so aber etwa KG MDR 1992, 1055; OLG Celle, WuM 1995, 338; OLG Köln, NZM 2000, 765), sondern es vielmehr darauf ankommt, ob die Veränderung des optischen Gesamteindrucks als nachteilig zu bewerten ist (BayObLG, WuM 1992, 709 ff; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl., § 22 Rn. 95; OLG Zweibrücken, ZWE 2000, 93, 94 unter Aufgabe seiner vorherigen Rechtsprechung).

Maßstab zur Beurteilung, ob eine bauliche Veränderung beeinträchtigend wirkt, ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage objektiv und verständlicherweise benachteiligt fühlen kann (Merle in Bärmann, WEG, § 22 Rn. 174; BGH NJW 1992, 978; BayObLG, WuM 1992, 5063). Dazu hat nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen eine am konkreten Einzelfall orientierte Abwägung stattzufinden, die den Grundrechten sowohl des die bauliche Veränderung veranlassenden Eigentümers als auch der Wohnungseigentümer, die in ihrem Eigentumsrecht beeinträchtigt werden, hinreichend Rechnung tragen muss. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer nicht eine erhebliche Störung voraussetzt. Es greift vielmehr dann ein, wenn die bauliche Veränderung nicht nur unerheblich stört (so ausdrücklich Beschluss des BayObLG vom 20.11.2003, Az.: 2 ZBR 134/03). Die Schwelle einer Beeinträchtigung der Rechte der übrigen Wohnungseigentümer ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen niedrig anzusetzen, was im Übrigen der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG als Ausnahmeregelung entspricht (BVerfG, ZMR 2005, 634 ff; OLG München, ZMR 2006, 230, 231; OLG Köln, FGPrax 2005, 203, 204); nur ganz geringfügige Beeinträchtigungen von völlig belanglosem oder b...

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