Leitsatz (amtlich)

1. Eine Erhöhung des dem Berufsbetreuer zu vergütenden Stundensatzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG setzt voraus, dass ein erheblicher Teil der durch das Studium erworbenen Kenntnisse für die übertragenen Aufgabenkreise allgemein nutzbar ist.

2. Für die Aufgabenkreise der Aufenthaltsbestimmung und der Gesundheitssorge sind diese Voraussetzungen im Falle eines abgeschlossenen BWL-Studiums nicht erfüllt.

 

Verfahrensgang

AG Offenburg (Entscheidung vom 29.03.2012; Aktenzeichen XVII 277/11)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Offenburg vom 29.03.2012 wie folgt abgeändert:

    Die dem vorläufigen Betreuer für die Zeit vom 03.11.2011 bis 02.02.2012 zu bewilligende Vergütung wird auf € 567,00 festgesetzt.

  • 2.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Am 31.10.2011 stellte die Klinik L.113/ einen Antrag auf Eilentscheidung zur vorläufigen Unterbringung des Betroffenen und Einrichtung einer Betreuung. Mit Beschluss vom 31.10.2011 bestellte das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen den Beteiligten Ziff. 1 im Wege einstweiliger Anordnung zum vorläufigen Betreuer für die Aufgabenkreise der Aufenthaltsbestimmung einschließlich Entscheidung über die Unterbringung sowie die Gesundheitsfürsorge. Zugleich wurde die Unterbringung des Betroffenen bis längstens zum 11.12.2011 genehmigt. Die Unterbringung wurde mit Beschluss vom 07.12.2011 aufgehoben (AS 69). Nachdem der vorläufige Betreuer am 19.01.2012 mitgeteilt hat, dass der Betroffene von seinen Kindern abgeholt worden sei, und sich Hinweise darauf ergaben, dass er in sein Heimatland zurückgekehrt war, wurde das Verfahren wegen Anordnung einer Betreuung durch Beschluss vom 02.02.2012 eingestellt (AS 99).

Nach Stellungnahme durch die Bezirksrevisorin hat das Amtsgericht die Vergütung des Beteiligten Ziff. 1 durch Beschluss vom 29.03.2012 (AS 133) auf 924 € festgesetzt und ausgeführt, der vorläufige Betreuer verfüge über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar seien (§ 4 Abs. 1 VBVG). Zugleich hat es die Beschwerde für den Fall zugelassen, dass der Beschwerdegegenstand 600,00 € nicht übersteigt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Staatskasse, die die Bezirksrevisorin mit Schriftsatz vom 02.05.2012 (AS 147) eingelegt hat. Sie wird damit begründet, dass hier nicht der Höchststundensatz von 44,00 €, sondern lediglich der Basisstundensatz von 27,00 € zu Grunde zu legen sei, was zu einer festsetzbaren Vergütung von insgesamt 567,00 € führe. Es sei nicht ersichtlich, welche besonderen Kenntnisse der vorläufige Betreuer durch sein abgeschlossenes Betriebswirtschaftsstudium erworben habe, die für die Betreuung mit dem angeordneten Aufgabenkreis nutzbar seien.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 07.05.2012 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt (AS 163).

II.

3.

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist infolge der Zulassung durch das Amtsgericht zulässig. Auch wenn nach dem FamFG die Zulassung der Beschwerde im Grundsatz unbedingt ausgesprochen werden muss, ist von einer wirksamen Zulassung der Beschwerde auszugehen. Denn die Zulassung der Beschwerde ist hier von einer sogenannten innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht worden, was auch für Prozesshandlungen der Beteiligten als zulässig angesehen wird (Keidel/u.a./Sternal, FamFG, 17. Aufl., § 23 Rn. 35 m.w.N.). Da der Betroffene mittellos ist, ist die Staatskasse beschwerdebefugt (Keidel/u.a./Engelhardt, a.a.O., § 168 Rn. 36 m.w.N.).

4.

In der Sache hat die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg. Die dem vorläufigen Betreuer gem. §§ 1836 Abs. 1 BGB, 4, 5 VBVG zu bewilligende Vergütung war nach § 168 Abs. 1 Nr. 2 FamFG entsprechend der in der Beschwerdeschrift enthaltenen Berechnung auf 567,00 € festzusetzen.

a)

Ob ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen für eine erhöhte Vergütung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erfüllt, unterliegt einer wertenden Betrachtungsweise des Tatrichters (BGH, B. v. 08.02.2012 - XII ZB 230/11 - FamRZ 2012, 631 Tn. 8). Zu der systematisch gleich aufgebauten Vorgängervorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BVormVG hat der Bundesgerichtshof (B. v. 23.07.2003 - XII ZB 87/03 - FamRZ 2003, 1653, [...]Rn. 13 ff.) ausgeführt, dass die Vorschrift die Vergütungssteigerung an besondere, durch Ausbildung erworbene Kenntnisse knüpft, die für die konkrete Betreuung "nutzbar" sind. Diese Kenntnisse müssen also nicht - im Sinne einer conditio sine qua non - für eine ordnungsgemäße Amtsführung des Betreuers erforderlich sein. Das Gesetz begnügt sich vielmehr mit der potentiellen Nützlichkeit dieser Fachkenntnisse; eine konkrete Nutzung des vom Betreuer vorgehaltenen Wissens wird nicht verlangt.

§ 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG und die Nachfolgevorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 VBVG normieren damit eine - widerlegbare - Vermutung, nach der besondere Kenntnisse des Betreuers, die für Betreuungen allgemein nutzbar sind, auch für die konkrete Betreuungen nutzbar sind. Diese Rege...

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