Tenor

Das Landgericht Stralsund erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht Oldenburg.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Restwerklohn aus einem Bauvertrag betreffend eine Ferienhausanlage unter der Anschrift xxx in xxx auf der Insel Rügen (Landgerichtsbezirk Stralsund). Die Klägerin - d.h. der Werkunternehmer - hat ihren Sitz in xxx (ebenfalls Landgerichtsbezirk Stralsund); der Beklagte - d.h. der Besteller - ist in xxx (Landgerichtsbezirk Oldenburg) wohnhaft.

Das Gericht hat zuletzt mit Hinweis vom 02.09.2011, für dessen näheren Inhalt auf Bl. 74 f., 84 f., 91 f. d.A. Bezug genommen wird, daraufhingewiesen, dass es sich für örtlich unzuständig hält. Beiden Parteien ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 14.09.2011 (Bl. 100 ff. d.A.) der Auffassung des Gerichts angeschlossen und die Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts gerügt. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 04.10.2011 (Bl. 103 d.A.) Verweisung an das Landgericht Oldenburg beantragt.

II.

Das angegangene Landgericht Stralsund ist örtlich nicht zuständig. Der Rechtsstreit war daher unter Ausspruch der eigenen Unzuständigkeit antragsgemäß an das Landgericht Oldenburg zu verweisen (vgl. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO). Eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stralsund ist - da der Beklagte seinen Wohnsitz und damit seinen allgemeinen Gerichtsstand gemäß §§ 12 f. ZPO im Bezirk des Landgerichts Oldenburg hat - nur auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 ZPO denkbar und hätte vorausgesetzt, dass die streitige Werklohnzahlung im Bezirk des Landgerichts Stralsund zu erfüllen ist. Hiervon kann - entgegen verbreiteter Auffassung - nicht ausgegangen werden. Das Gericht teilt die in Rechtsprechung und Literatur zumindest bislang überwiegende Auffassung, wonach bei Bauverträgen regelmäßig ein einheitlicher Gerichtsstand am Ort des Bauvorhabens bestehen soll, nicht.

Geldschulden - und hierzu zählt auch die Werklohnverpflichtung des Bestellers - sind prinzipiell am (Wohn-) Sitz des Bestellers zu erfüllen (§§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB). Damit liegt auch der Gerichtsstand für die Werklohnklage am (Wohn-) Sitz des Bestellers (§ 29 Abs. 1 ZPO; insoweit im Ergebnis ohne Abweichung von §§ 12 f. ZPO). Richtigerweise ergibt sich auch für den Bauvertrag nichts anderes, und zwar - entgegen der bislang mehrheitlichen Auffassung - insbesondere nicht aus den "Umständen" bzw. der "Natur des Schuldverhältnisses". Warum es abweichend von der gesetzlichen Regel (§ 269 Abs. 1 ZPO: Holschuld) in der Natur gerade des Bauvertrages liegen sollte, dass der Besteller den Werklohn am Ort des Bauwerkes zu leisten hätte, erschließt sich nicht. Insbesondere in Zeiten eines weitgehend bargeldlosen Zahlungsverkehrs erscheint die Vorstellung von einer Bargeldübergabe an der Baustelle - jedenfalls beim "legalen" Bruttogeschäft - geradezu als Anachronismus. Der von der Rechtsordnung nicht gebilligte "Schwarzbau", bei dem der Bauhandwerker tatsächlich regelmäßig oder zumindest oftmals am Ort des Bauwerks "cash" entlohnt werden mag, kann nicht ernstlich zum Maßstab der gesetzlichen Gerichtsstandsbestimmung genommen werden. Abgesehen davon handelt es sich vorliegend auch nicht um ein "Schwarzgeschäft". Dass eine Beweisaufnahme über streitige Mängel - wie von der herrschenden Auffassung zur Begründung eines einheitlichen Bauwerksgerichtsstandes bemüht - durch das Gericht am Ort des Bauwerks in der Regel leichter durchgeführt werden könne, stellt einerseits eine prozessuale Zweckmäßigkeitserwägung dar, die im Rahmen der materiellrechtlichen Erfüllungsortsbestimmung - an die das Prozessrecht konsequent anknüpft - keine Rolle spielen kann, und trifft zum anderen auch nicht ohne Weiteres zu, denn über Mängeleinwände bei Bauvorhaben wird erfahrungsgemäß in aller Regel Sachverständigenbeweis in Gestalt eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben. Hier macht es keinen Unterschied, ob der Sachverständige zur Begutachtung durch ein ortsnahes oder ortsfernes Gericht bestellt wird. Entscheidend ist allenfalls die Ortsnähe des Sachverständigen (vgl. zum Ganzen dezidiert LG Frankenthal, Urteil vom 08.07.1998 - 5 O 520/98, zitiert nach [...], dort insbesondere Tz. 18 ff. m.w.N.).

Dass u.a. der Bundesgerichtshof, auf dessen Rechtsprechung bereits im Hinweisschreiben vom 18.07.2011 (Bl. 64 d.A.) eingegangen worden ist (vgl. erneut BGH, Beschluss vom 05.12.1985 -1 ARZ 737/85, NJW 1986, 935, sowie aus jüngerer Zeit etwa BGH, Beschluss vom 11.11.2003 - X ARZ 91/03, NJW 2004, 54, hier zitiert nach [...], dort Tz. 18, und - allerdings nur am Rande und lediglich als Hinweis auf frühere Rechtsprechung ohne ausdrückliche Bestätigung - BGH, Urteil vom 24.01.2007 - XII ZR 168/04, NJW-RR 2007, 777, hier zitiert nach [...], dort Tz. 17), eine örtliche Zuständigkeit am Ort des Bauwerkes annimmt, also gegenteiliger Auffassung ist, wird vom erkennenden Gericht nicht verkannt, än...

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