rechtskräftig

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Urteil vom 30.09.2022; Aktenzeichen 9 C 877/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 30.09.2022, Az. 9 C 877/22, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung infolge einer auf § 573a BGB gestützten Kündigung.

Mit Mietvertrag vom 09.04.2021 mietete die Beklagte vom Kläger eine 2-Zimmer-Küche-Bad Wohnung nebst dazugehörender Doppelgarage in … Mietbeginn war der 01.05.2021.

Der Kläger ist Eigentümer des gesamten Anwesens …. In diesem befindet sich außer der von der Beklagten angemieteten Wohnung nur noch eine weitere Wohnung. Diese wird vom Kläger, der seinen Erstwohnsitz in … hat, nach den Feststellungen des Amtsgerichts als „Ferienwohnung” genutzt.

Mit Schriftsatz vom 18.03.2022 kündigte der Kläger den Mietvertrag mit Wirkung vom 30.09.2022 gestützt auf § 573a BGB. Mit Schriftsatz vom 20.06.2022 widersprach die Beklagte der Kündigung.

Das Amtsgericht Rosenheim hat mit angegriffenem Urteil vom 30.09.2022 der Räumungsklage des Klägers stattgegeben und hierbei ausgeführt, dem Kläger stünde ein privilegiertes Kündigungsrecht gem. § 573a BGB zu.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen nach § 573a BGB lägen nicht vor, der Kläger bewohne seine Wohnung nicht selbst im Sinne dieser Vorschrift.

Die Beklagte beantragt:

Das am 30.09.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Rosenheim, Aktenzeichen: 9 C 877/22 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

Die Kammer hat ergänzend die Parteien angehört.

Im übrigen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts sowie weiterhin auf das Protokoll vom 15.03.2023 (Bl. 85) und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger bewohnt das Gebäude nicht selbst im Sinne von § 573a Abs. 1 BGB, so dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.

1. Kündigung gem. § 573a BGB

1.1 Grundsätzlich zutreffend führt das Amtsgericht aus, dass es sich bei der „selbst bewohnten” Wohnung des Vermieters im Gebäude auch um eine Zweitwohnung handeln kann, dass aber wegen des Schutzzweckes der Regelung in § 573a BGB eine Nutzungsintensität zu verlangen ist, die die Gefahr erhöhter Spannungen möglich erscheinen lässt.

1.2 In diesem Kontext spielt allerdings der vom Amtsgericht herausgehobene Umstand, dass es sich hier bei der Zweitwohnung um eine vom Vermieter als solche genutzte „Ferienwohnung” handelt, keine Rolle.

Zwar wird auch vertreten, die Nutzung als (Zweit)- oder Ferienwohnung sei ausreichend (vgl. Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Auflage, § 573a BGB, Rdn 22), der Vermieter müsse dort nicht zwingend seinen Lebensmittelpunkt habe (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage, § 573a BGB, Rdn. 15; Bub-Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, Rdn. 206). Mit dem Begriff „Ferienwohnung” ist aber noch nichts über die konkrete Nutzung durch den Vermieter ausgesagt.

Dass der Vermieter, wenn er sich auf § 573a BGB berufen will, umgekehrt regelmäßig im Gebäude seinen Lebensmittelpunkt haben muss (so jurisPK-BGB, 10. Auflage 2023, § 573a BGB, Rdn 10, unter Berufung auf LG Berlin, Urteil vom 14.03.1991, Az.: 62 S 481/90; ebenso Staudinger, Neubearbeitung 2021, § 573a BGB, Rdn 10 m.w.N.), lässt sich freilich weder dem Wortlaut der Norm noch ihrem Sinn und Zweck entnehmen (vgl. auch BeckOK Mietrecht, Stand 01.08.2022, § 573a BGB, Rdn. 12 m.w.N.; Münchener Kommentar, 9. Auflage, § 573a BGB, Rdn. 5 m.w.N.).

Nach Überzeugung der Kammer ist letztlich vom Normzweck her – der Vermieter soll wegen möglicher Spannungen, die sich aus dem engen Zusammenleben mit dem Mieter ergeben, das Mietverhältnis erleichtert ohne berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 BGB durch Kündigung beenden können (vgl. Grüneberg, 82. Auflage, § 573a BGB, Rdn. 1) – maßgeblich, wie sich die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Vermieter zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und deren Wirksamkeit gestaltet hat.

1.3 Die konkrete Nutzung des Gebäudes durch den Kläger rechtfertigt das Kündigungsprivileg nach § 573a BGB nicht.

Nach der hierzu erfolgten Anhörung der Parteien muss die Kammer aufgrund der weitestgehend übereinstimmenden Angaben davon ausgehen, dass die Nutzung der Wohnung durch den Kläger sich in den letzten zwei Jahren – und damit auch für die hier relevanten Zeitpunkte bzw. den hier relevanten Zeitraum – darauf beschränkt...

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