Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnraummiete: Heilung der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges bei Verschulden des Sozialamts an einer vorherigen Kündigung innerhalb der Zweijahresfrist
Orientierungssatz
Die Heilung der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges durch vollständige Begleichung des Mietrückstandes ist auch dann nicht gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wenn weniger als zwei Jahre vor der Kündigung bereits eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges ausgesprochen worden war, diese (erste) Kündigung jedoch mangels Verzuges des Mieters unwirksam war, weil diesem das Verschulden des Sozialamts an der unterbliebenen Überweisung des Mietzinses nicht zuzurechnen war. Das Sozialamt ist insoweit im Rahmen eines Mietvertrages über die Unterkunft des Hilfebedürftigen nicht dessen Erfüllungsgehilfe.(Rn.11)(Rn.12)
Normenkette
BGB § 569 Abs. 3 Nr. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.08.2011; Aktenzeichen 92 C 684/11 (82)) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11.08.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichtes Wiesbaden abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreites einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision ist nicht zulässig.
Gründe
Auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird verwiesen.
Mit der Berufung rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechtes. Er ist der Ansicht, dass die Kündigung vom 25.11.2010 unwirksam gewesen sei, da der Kläger den Zahlungsrückstand nicht genau aufgeschlüsselt habe.
Zudem sei auch die Kündigung vom 23.06.2009 unwirksam gewesen, weil er bereits am 18.03.2009 einen Antrag beim Sozialamt gestellt habe, so dass er den anschließenden Zahlungsrückstand, der Grund für die Kündigung gewesen sei, nicht verschuldet habe. Vielmehr treffe den Kläger selbst ein Verschulden an der späten Entscheidung des Sozialamtes. Bereits am 02.06.2009 habe er den Kläger um Vorlage einer vom Sozialamt angeforderten Mietbescheinigung gebeten, die dieser erst am 16.06.2009 übergeben habe. Der Beklagte vertritt weiter die Auffassung, dass ihm auch ein evt. Verschulden des Sozialamtes nicht zuzurechnen sei, da das Sozialamt nicht Erfüllungsgehilfe des Mieters sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichtes Wiesbaden, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die Erwägungen des Amtsgerichtes. Er ist der Ansicht, dass das Kündigungsschreiben vom 25.11.2010 den von der Rspr. gestellten Anforderungen entspreche. Auch treffe ihn kein Mitverschulden an der Entstehung des Zahlungsrückstandes, der Gegenstand der Kündigung vom 23.06.2009 gewesen sei, da er die Mietbescheinigung für das Sozialamt sofort ausgefüllt habe, nachdem der Beklagte ihm erklärt habe, wozu er diese benötige. Insbesondere habe er auch ein berechtigtes Interesse daran gehabt, den Verwendungszweck der Mieterbescheinigung zu erfahren.
Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO); sie hat in der Sache auch Erfolg.
Die Kündigung vom 25.11.2010 ist zwar wirksam, jedoch wurde sie gemäß § 569 Abs.3 Nr.2 S.2 BGB geheilt, nachdem der Beklagte am 31.03.2011 den Mietrückstand komplett ausglich. Es bestehen keine Bedenken hinsichtlich der formellen Wirksamkeit der Kündigung vom 25.11.2010. Die Angabe des Zahlungsrückstandes und des Kündigungsgrundes "Zahlungsverzug" reichen vorliegend aus, es ist darüber hinaus keine zusätzliche Aufschlüsselung der Zusammensetzung des Zahlungsrückstandes erforderlich (vgl. Urteil des BGH v. 12.05. 2010, VIII ZR 96/09). Der Kündigungsgrund ergibt sich aus § 543 Abs.2 Nr.3 BGB. Der im Kündigungsschreiben genannte Zahlungsrückstand ist unstreitig und erreicht den in § 543 Abs.2 Nr.3 BGB vorausgesetzten Betrag in Höhe von zwei Monatsmieten. Der Beklagte befand sich auch in Verzug i.S.d. §§ 286, 280 BGB, da davon auszugehen ist, dass er den Zahlungsrückstand verschuldet hat. Hinsichtlich der Kündigung vom 25.11.2010 liegt auch kein Verschulden des Sozialamtes vor, so dass an dieser Stelle dahingestellt bleiben kann, ob dieses dem Beklagten zuzurechnen wäre. Die vom Beklagten behaupteten Fehlüberweisungen des Sozialamtes fanden vor September 2009 statt. Kündigungsgrund für die Kündigung vom 25.11.2010 war dagegen ein Zahlungsrückstand hinsichtlich der Mieten im Zeitraum Mai bis November 2010. Nachfolgende Fehlüberweisungen des Sozialamtes sind nicht dargelegt. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der Beklagte den Verlängerungsantrag an das Sozialamt nicht gestellt hat, bzw. die Voraussetzungen für eine Übernahme der Mieten durch das Sozialamt im Zeitpunkt der Kündigung vom 25.11.2010 nicht mehr vorlagen. Gemäß § 280 Abs.1 S.2 BGB war der Beklagte verpflichtet, hinsichtlich eines fehlenden Verschuldens seinerseits selbst vorzutragen.
Die Kündigung vom 25.11.2010 wurde jedoch gemäß § 569 Abs.3 Nr.2 BGB durch die...