1 Leitsatz
Besteht aufgrund eines durch den Mieter nicht grob fahrlässig herbeigeführten Wohnungsbrandes die Einstandspflicht der Wohngebäudeversicherung, sodass es bei der Erhaltungs- und Wiederherstellungspflicht des Vermieters bleibt, ist der Mieter während der Unbewohnbarkeit der Wohnung zur Mietminderung berechtigt.
2 Normenkette
BGB §§ 535, 536
3 Das Problem
In der mietvertraglichen Verpflichtung des Mieters, die (anteiligen) Kosten der Gebäudefeuerversicherung zu zahlen, liegt zwar keine stillschweigende Beschränkung seiner Haftung für die Verursachung von Brand- oder Leitungswasserschäden auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Allerdings ergibt eine ergänzende Auslegung des Versicherungsvertrags (zwischen Vermieter und Versicherer) einen konkludenten Regressverzicht des Versicherers, wenn der Mieter den Schaden durch lediglich einfache Fahrlässigkeit verursacht hat. Der Mieter darf in diesem Fall nicht schlechter gestellt werden, als wenn er die Versicherung selbst abgeschlossen hätte. Daher ist der Vermieter grundsätzlich verpflichtet, den Gebäudeversicherer und nicht den Mieter auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen (BGH, Beschluss v. 21.1.2014, VIII ZR 48/13).
4 Die Entscheidung
Nach den vom LG Würzburg in seinem Urteil geschilderten Sachverhalt hatte der noch junge, haushaltsunerfahrene, übermüdete und alkoholisierte (1,2 Promille) Mieter nach einer längeren Feier gegen 2.30 Uhr noch Heißhunger und erhitzte auf dem Küchenherd Fett für eine Portion Pommes frites. Danach stellte er den Topf zum Abkühlen des Fettes zurück auf die Herdplatte, ohne sie auszuschalten und verließ die Küche. 30 Minuten später brannte die Küche. Die Rauchmelder schlugen nicht an. Die Wohnung war nach dem Brand unbewohnbar. Für den Schaden kam die Versicherung des Vermieters auf. Der Mieter forderte für den Zeitraum August bis Mitte November 2021 wegen Unbewohnbarkeit der Wohnung eine vollständige Mietminderung, die vom Vermieter abgelehnt wurde. Das AG Würzburg sprach dem Mieter ein Recht auf vollständige Mietminderung zu. Die Berufung des Vermieters blieb vor dem Landgericht erfolglos.
Zwar – so das LG Würzburg – kann sich der Mieter grundsätzlich nicht auf eine Mietminderung berufen, wenn der Mangel auf sein Verhalten zurückzuführen oder von ihm zu vertreten ist. Ist jedoch ein vom Mieter verursachter Schaden durch eine vom Vermieter abgeschlossene Sachversicherung gedeckt und fällt dem Mieter hinsichtlich des Verschuldens lediglich einfache Fahrlässigkeit zur Last, bleibt die Befugnis des Mieters zur Minderung der Miete unberührt. Dementsprechend war zu klären, ob der Mieter grob fahrlässig oder lediglich leicht fahrlässig gehandelt hat.
Hinweis
Bei Klärung dieser Frage legten beide Gerichte einen – vorsichtig ausgedrückt – äußerst großzügigen Maßstab zugunsten des Mieters an. Selbst wenn man von einem objektiv grob fahrlässigen Verhalten ausgehe, würde der Mieter durch subjektive Gründe vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit befreit werden. Insofern seien nämlich auch besondere, in den seelischen und physischen Umständen der betreffenden Person liegende Umstände beachtlich. Vorliegend hänge das Fehlverhalten des Mieters einerseits mit der nächtlichen Uhrzeit und der damit einhergehenden Müdigkeit zusammen; andererseits ist zu berücksichtigen, dass eine Alkoholisierung von 1,2 Promille zu einer Verminderung der Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit führt. Letztlich sei dem Mieter schuldmindernd zugute zu halten, dass er als junger Mann nur über wenig Erfahrung im Haushalt verfügt. Nach alledem sei nur von leichter Fahrlässigkeit auszugehen. Dementsprechend wurde der Klage des Mieters auf Mietminderung in beiden Instanzen stattgegeben.
5 Entscheidung
LG Würzburg, Beschluss v. 27.3.2023, 44 S 119/23, GE 2024, 289