Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Festsetzung eines besonderen Wohngebietes. Gliederungs- u. Ausschlussmöglichkeiten. im besonderen Wohngebiet. Festsetzung eines bebaubaren Grundstücks als Trittsteinbiotop. Eigentümerbelange. Grünfläche. Nutzung, nicht ausgeübte. Trittsteinbiotop. Wohngebiet (Ausschlussmöglichkeiten). Wohngebiet (Gliederung). Wohngebiet, besonderes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine mehr als 7 Jahre nicht ausgeübte bauliche Nutzung rechtfertigt es nicht, ein bisher bebaubares Grundstück ohne sorgfältige Bestandsaufnahme als private Grünfläche festzusetzen, weil es als „Trittsteinbiotop” zwischen zwei Landschaftsschutzgebieten dienen soll.

2. Ein Gebiet, das sich nach seiner Nutzungsstruktur von einem allgemeinen Wohngebiet nicht oder nur unwesentlich unterscheidet, darf nicht als besonderes Wohngebiet festgesetzt werden.

3. Gegen den Ausschluss aller sonstiger Nutzungen außer der Wohnnutzung in einem besonderen Wohngebiet bestehen durchgreifende Bedenken.

 

Normenkette

BauGB 1 VI; BauGB § 42 Abs. 3; BauNVO 1 IV; BauNVO 1 V; BauNVO § 4a Abs. 1-2

 

Gründe

Der Antragsteller, der Eigentümer des ca. 20 m × 35 m großen Flurstücks 1610/190 auf der Südseite der T.straße in O. ist, wandte sich gegen den Bebauungsplan M-390 D „H./R.”, soweit er das Grundstück des Antragstellers als private Grünfläche festsetzt.

Wesentliches Ziel des Bebauungsplanes ist es, die Entwicklung der letzten Jahrzehnte zur Veränderung im Gebiet mit privaten Dienstleistungen zu stoppen und dem Wohnen durch Einschränkungen der tertiären Nutzung den Vorrang zu geben. Der Bebauungsplan setzt die Grundstücke zwischen der T.straße und der Straße U. d. E. bis auf das Grundstück des Antragstellers als besonderes Wohngebiet (WB 3) mit zwei Vollgeschossen, einer GRZ von 0,3, einer GFZ von 0,6 und offener Bauweise fest; die bebaubaren Flächen sind zu den Straßen durch Baulinien und nach hinten durch Baugrenzen bestimmt. Im besonderen Wohngebiet WB 3 sind die gemäß § 4 a Abs. 2 Nr. 2 bis 5 BauNVO allgemein zulässigen Nutzungen sowie die Ausnahmen gemäß § 4 a Abs. 3 BauNVO nicht zulässig. Das Grundstück des Antragstellers ist als private Grünfläche festgesetzt. In der Begründung des Bebauungsplanes heißt es dazu unter Nr. 3.2.4:

Der Gehölzbestand auf dem Flurstück 1610/190 hat die Funktion eines Trittsteinbiotops zwischen den Landschaftsschutzgebieten E. H. und den D.

Nachdem die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Abweichung vom Bebauungsplan die Bebaubarkeit seines Grundstücks zugesagt hatte, haben die Beteiligten die Hauptsache für erledigt erklärt. Neben der deklaratorischen Einstellung des Verfahrens ist von Amts wegen über die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes sowie über den Streitwert durch Beschluss zu entscheiden.

Es entspricht der Billigkeit, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil der Normenkontrollantrag voraussichtlich Erfolg gehabt hätte.

Die Antragsgegnerin hat bei der Abwägung die Belange des Antragstellers als Eigentümer nicht gebührend in Rechnung gestellt. Die Tatsache, dass konkrete Absichten einer baulichen Nutzung nicht erkennbar waren und sich die Natur auf dem Grundstück viele Jahre ungestört entwickelt hatte, rechtfertigt es nicht, die Belange des Eigentümers auszublenden. Ein Blick auf den Lageplan verdeutlicht, dass das Grundstück des Antragstellers vor der Beplanung Baulandqualität nach § 34 BauGB hatte. An der T.straße sind in dem Bereich des Bebauungsplanes neun Grundstücke bebaut und nur zwei mit einer Frontbreite von 17 bzw. 20 m unbebaut, ihre Eigenschaft als Baulücke nach § 34 BauGB ist offensichtlich. Da das Grundstück im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan im Wesentlichen von Fichten bestanden war, hatte es auch nicht die Qualität eines Biotops nach § 28 a NNatSchG, so dass Bedenken gegen eine bauliche Nutzung insoweit ausscheiden. Die Entziehung der Baulandqualität kommt als massiver Eingriff in das Eigentum nur in Betracht, wenn gewichtige Belange des Gemeinwohls dies rechtfertigen. Die Tatsache, dass die bauliche Nutzbarkeit eines Grundstücks für längere Zeit nicht ausgenutzt worden ist, mindert die Eigentümerbelange nicht. Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks nach mehr als sieben Jahren ab Zulässigkeit durch einen Bebauungsplan aufgehoben oder geändert, reduziert sich die Entschädigung nach § 42 Abs. 3 BauGB auf Eingriffe in die ausgeübte Nutzung. Das bedeutet aber nicht, dass sich die Schutzwürdigkeit des Eigentums in der Abwägung mindert. Wenn die Gemeinde einem Grundstück nach mehr als sieben Jahren nicht ausgeübter zulässiger baulicher Nutzung ohne weiteres die Baulandqualität entziehen könnte, würde der Eigentümer doppelt „bestraft”: er könnte sich nicht gegen den Entzug der baulichen Nutzung wehren und würde nicht für die entzogene Baulandqualität entschädigt. Die Reduzierung der Entschädigung belegt gerade, dass das Eigentum und seine bauliche Nut...

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