Leitsatz (amtlich)

1. Zahlt die Schuldnerin einer verpfändeten Forderung auf Aufforderung der Bank, die zugleich Pfandgläubigerin ist, auf ein Gläubigerkonto, dessen Sollsaldo durch Kündigung der Bank zuvor fällig gestellt worden ist, so handelt es sich hierbei (ausschließlich) um eine mit befreiender Wirkung erbrachte Leistung an die Pfandgläubigerin (§§ 1282 Abs. 1,1228 Abs. 2 BGB).

2. a) In einem solchen Fall muss sich die Gläubigerbank sowohl das Wissen der den Pfändungsvorgang bearbeitenden Mitarbeiter als auch den Kenntnisstand ihres mit der Hereinnahme des Schecks der Schuldnerseite befassten Angestellten zurechnen lassen mit der Folge, dass ihr die Berufung auf einen Bereicherungswegfall (hier: Weggabe einer Sicherheit) wegen verschärfter Haftung verwehrt ist (§ 166 Abs. 1; § 819 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung).

b) Die verschärfte Haftung der Bank nach § 819 Abs. 1 BGB entfällt auch dann nicht, wenn entsprechend ihrem Vorbringen unterstellt wird, dass die Bankmitarbeiter den angegebenen Verwendungszweck eines bei ihr eingereichten und von ihr verbuchten Schecks "grundsätzlich" nicht zur Kenntnis nehmen. Denn bei einer derartigen Bearbeitungspraxis ist insoweit von einer der positiven Kenntnis gleichgestellten "bewussten" Unkenntnis auf Bankseite auszugehen.

 

Normenkette

BGB § 166 Abs. 1, § 819 Abs. 1 (analog), § 1228 Abs. 2, § 1282

 

Verfahrensgang

LG Aschaffenburg (Urteil vom 06.04.2006; Aktenzeichen 1 HKO 38/05)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Aschaffenburg vom 6.4.2006 - Az: 1 HKO 38/05 - wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt Zahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Die Klägerin war Versicherungsgeberin einer Brand- und Betriebsunterbrechungsversicherung für die Firma R., Inhaber W., die wiederum bei der Beklagten das Konto Nr. 0000 unterhielt.

Am 1.10.2001 wurde das Betriebsgebäude der Firma R. durch Brand fast vollständig zerstört. Die Geschädigte ließ sich die Schadensbeseitigungskosten von der Beklagten vorfinanzieren und verpfändete dieser im Oktober 2001 bzw. Januar 2002 sicherungshalber sämtliche Forderungen ggü. der Klägerin, welche hierüber auch in Kenntnis gesetzt wurde.

Am 2.8.2002 schloss die Geschädigte mit der Klägerin einen Abfindungsvergleich über eine zu zahlende Versicherungsleistung i.H.v. insgesamt 275.000 EUR.

Diese Zahlung erbrachte die Klägerin durch Überweisungen i.H.v. insgesamt 163.629,19 EUR auf das bei der Beklagten bestehende Konto der Geschädigten. In Höhe des Restbetrages von 86.370,81 EUR händigte die Klägerin im Zeitraum 10.4.2002 bis 8.8.2002 ihrer Versicherungsnehmerin insgesamt fünf Verrechnungsschecks aus, wovon die Geschädigte vier bei der S., den 5. Scheck über 25.000 EUR, ausgestellt am 10.4.2002 und unter "Verwendungszweck" versehen mit der Schaden-Nummer der Klägerin, jedoch bei der Beklagten einreichte, die den Scheckbetrag dem streitgegenständlichen Konto Nr. 0000 auch gutschrieb.

Mit Schreiben vom 11.9.2002 teilte die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf die bestehende Verpfändung mit, dass seit Juli 2002 keine Zahlungen mehr geleistet worden seien. Nach einer mehrmonatigen Korrespondenz zwischen den Parteien überwies die Klägerin schließlich am 29.11.2002 in zwei Teilbeträgen insgesamt 86.370,81 EUR auf das streitgegenständliche Konto, wobei sie als Verwendungszweck angab: "01.000+01.111 AUSGLEICH DER FALSCHZAHLUNGEN".

Mit weiterem Schreiben vom 11.9.2002 kündigte die Beklagten ggü. der Firma R. die gesamte Geschäftsverbindung zum 24.10.2002, auf Verlagen ihrer Kundin reichte sie ihr am 14.3.2003 zwei sicherungshalber hingegebene Grundschuldbriefe über jeweils 100.000 DM zurück.

Die Firma R. ist inzwischen vermögenslos, ihr Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde durch Beschluss des AG Aschaffenburg vom 31.7.2003 mangels Masse abgewiesen.

Die Klägerin trägt nun vor, anlässlich ihrer Überweisung vom 29.11.2002 insgesamt 25.000 EUR zuviel geleistet zu haben. Da ihre Versicherungsnehmerin den Scheck vom 10.4.2002 über 25.000 EUR bei der Beklagten eingereicht habe und dieser dem streitgegenständlichen Konto auch gutgeschrieben worden sei, habe im November 2002 tatsächlich nur noch eine verpfändete Forderung i.H.v. 61.370,81 EUR bestanden. Die Beklagte sei deshalb insoweit zur Rückzahlung verpflichtet.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 25.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.4.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, es fehle bereits an ihrer Passivlegitimation, da sich die...

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