Leitsatz (amtlich)

1. Es ist fehlerhaft, sofern ein Gutachter eine Ortsbesichtigung vor der den Parteien und deren Bevollmächtigten mitgeteilten Terminsstunde beginnt.

2. Auch ein derartiger Verfahrensfehler allein trägt nicht ohne Weiteres den Verdacht eines planvollen Vorgehens zum Nachteil eines Beteiligten.

 

Verfahrensgang

AG Wolfenbüttel (Beschluss vom 15.04.2016; Aktenzeichen 21 F 2413/11 GÜ)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 25.04.2016 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Wolfenbüttel vom 15.04.2016 zur Aktenzeichen 21 F 2413/11 GÜ wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Gerichtsgebühr und die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. In dem vorliegenden Verfahren zur Folgesache Zugewinnausgleich im Ehescheidungsverbundverfahren, in welchem die Beteiligten u.a. über den Wert des im Endvermögen des Antragsgegners befindlichen Hausgrundstücks unter der Anschrift Martin-Luther-Straße 57, 38300 Wolfenbüttel zum Stichtag 16.12.2011 streiten, den die Antragstellerin auf 140.000 EUR und der Antragsgegner auf 95.000 EUR schätzt, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 03.03.2016 die am 17.02.2016 zur Wertermittlung nach den gerichtlichen Beweisbeschlüsse vom 26.08.2015 und 09.10.2015 tätig gewordenen Mitglieder des Gutachterausschusses für Grundstückswerte Braunschweig-Wolfsburg beim Landesamt für Geoinformation und Landvermessung Niedersachsen, Regionaldirektion Braunschweig-Wolfsburg (im Folgenden: Gutachterausschuss), den Vermessungsdirektor Dr.-Ing. Volker Stengelmann, den Bankdirektor Ernst Gruber und die Architektin Dipl.-Ing. Brigitte Wiblishauser wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Deren schriftliches Gutachten vom 17.02.2016 mit einem auf 100.000,00 EUR ermittelten Verkehrswert war den Prozessbevollmächtigten mit gerichtlicher Verfügung vom 26.02.2016 zur Stellungnahme übersandt worden und am 02.03.2016 zugegangen.

Zur Begründung ihres Ablehnungsgesuchs führt die Antragstellerin aus, dass es ihrem Verfahrensbevollmächtigten im Zusammenwirken zwischen Antragsgegner und Gutachterausschuss nicht ermöglicht worden sei, an dem auf den 17.02.2016 angesetzten Besichtigungstermin teilzunehmen, obwohl bereits mit Schriftsatz vom 22.09.2015 und Antrag auf Verlegung eines zuvor auf den 16.12.2015 bestimmten Termins darauf hingewiesen worden sei, dass dies beabsichtigt sei. Das von Rechtsanwalt Riepe am 17.02.2016 erlebte und in einem Aktenvermerk vom selben Tag festgehaltene Geschehen lasse nur den Schluss zu, dass dessen Teilnahme an der Besichtigung habe verhindert werden sollen. Dieser sei aufgrund des Einladungsschreibens des Ausschusses vom 03.02.2016, dem eindeutig zu entnehmen gewesen sei, dass der Termin gegen 09:40 Uhr stattfinden solle, um 09:20 Uhr vor dem zu besichtigenden Grundstück eingetroffen und habe in seinem Pkw auf das Eintreffen der Mitglieder des Gutachterausschusses gewartet. Diese seien dann um 09:35 Uhr mit dem Antragsgegner aus dem Hauses Martin-Luther-Straße 57 gekommen, in ersichtlich gelöster und bester Stimmung plaudernd zügig zu der neben der Straße gelegene Garagenanlage gegangen, wo sie kurz in eine Garage geschaut hätten und dann gefahren seien. Dem hinzutretenden Antragstellervertreter sei auf Frage mitgeteilt worden, dass die Besichtigung bereits beendet sei und auf seinen Hinweis, dass er eine Einladung mit einem Termin für ca. 09:40 Uhr erhalten habe, dass es fast 09:40 Uhr sei. Aus dem verfrühten Beginn und der Eile mit der die Besichtigung mit Inaugenscheinnahme der Garage zu Ende geführt worden sei, ergebe sich, dass im Zusammenwirken zwischen dem Antragsgegner und dem Ausschuss rechtzeitig vor dem zu erwartenden Eintreffen des Anwalts vollendete Fakten hätten geschaffen werden sollen, wozu auch die höchst sonderbare Antwort auf den Hinweis der Einladung für die Zeit ab ca. 09:40 Uhr passe. Letzte Zweifel daran, dass damit ein abgesprochenes Ausbremsen des Antragstellervertreter stattgefunden habe, seien durch eine E-Mail des Gutachterausschusses vom Folgetag beseitigt worden, mit welcher erklärt worden sei, dass man einander wohl nur kurz verfehlt habe und eine Besichtigung des Gutachterausschusses in der Regel nur wenige Minuten dauere, was unwahr sei. Nach alledem sei daher davon auszugehen, dass der Besichtigungstermin nach vorangegangener Absprache zwischen dem Gutachterausschuss und dem Antragsgegner so vorverlegt und durchgeführt worden sei, dass dem Antragstellervertreter die Teilnahme unmöglich gemacht worden sei, um ein trautes und unüberwachtes Gespräch zwischen Antragsgegner und Ausschussmitgliedern zum Zweck einseitiger Beeinflussung zu führen. Daran, dass gerichtliche Sachverständige, die sich in einer solchen Weise zur einseitigen Unterstützung einer Partei unter gleichzeitiger Hintergehung der anderen Partei hergäben, nicht mehr als objektiv, neutral und unbefangen angesehen werden könnten, bes...

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