Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen eines Aussetzungsbeschlusses nach § 8 KapMuG und zur Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs als Voraussetzung der verjährungshemmenden Wirkung des Güteantrags nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG kann sich auch daraus ergeben, dass nach dem Vortrag des Anspruchsgegners den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation zugrunde lag, deren Unrichtigkeit der Anspruchsteller behauptet.
2. Ein Aussetzungsbeschluss nach § 8 Abs. 1 S. 1 KapMuG unterliegt auch dann nicht der Aufhebung, wenn das Landgericht noch nicht auf der Grundlage einer hierzu erforderlichen Beweisaufnahme zu der Überzeugung gekommen ist, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von den Feststellungszielen nach dem Vorlagebeschluss abhängig ist, sofern dies jedenfalls auf der Grundlage des Vorbringens der einen Prozesspartei der Fall ist und die andere Partei der Aussetzung des Verfahrens nicht entgegentritt.
3. An der nötigen Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs als Voraussetzung der verjährungshemmenden Wirkung eines Güteantrags in Anlageberatungsfällen nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB fehlt es nicht bereits dann, wenn es lediglich an der Angabe der Höhe vom Schadensersatzanspruch des Anlegers abzuziehender erlangter Ausschüttungen mangelt.
Normenkette
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 4; KapMuG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 8
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 4 O 449/18) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 04.02.2019 gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts vom 24.01.2019 wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
3. Der Streitwert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde wird auf EUR 8.496,97 festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht vor dem Landgericht Bremen gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit der Zeichnung ihrer Beteiligung an einem Immobilienfonds geltend.
Diese Beteiligung hatte die Klägerin am 12.09.2007 in einer Höhe von GBP 30.000,- zzgl. Agio i.H.v. GBP 1.500,- nach einer Beratung durch die Beklagte erworben. Die Beklagte behauptet, dass die Beratung anhand des Verkaufsprospekts der streitgegenständlichen Anlage stattgefunden habe, welcher der Klägerin rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden sei (siehe Bl. 76 d.A.); die Klägerin behauptet dagegen, den Prospekt weder vor noch nach der Zeichnung der Anlage erhalten zu haben. Beide Parteien berufen sich hierzu auf das Zeugnis des damals tätig gewesenen Beraters, die Klägerin zudem auch auf das Zeugnis des Herrn ... sowie auf das Angebot ihrer eigenen Parteivernehmung. Überdies macht die Klägerin auch geltend, dass der Prospekt fehlerhaft sei.
Mit am selben Tag dort eingegangenem Schlichtungsantrag vom 08.09.2017 hatte sich die Klägerin an die Schlichtungsstelle des Ombudsmanns [...] gewandt und darin die Antragsgegnerin namentlich bezeichnet und unter den Angaben zur Streitigkeit ihr konkretes Begehren bezeichnet als "Schadensersatz i.H.v. GBP 31.500,-". In der weiteren Schilderung der Streitigkeit gab sie an, dass der Zeichnung der im Antrag namentlich bezeichneten Anlage über den vorgenannten Betrag zzgl. Agio eine Falschberatung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten zugrunde gelegen habe und dass sie sich für eine altersgerechte Altersversorgung habe absichern wollen, der namentlich benannte Berater sie aber auf Rückvergütungen und auf ein Ausfallrisiko nicht hingewiesen habe. Sie begehre Schadensersatz abzüglich erhaltener Leistungen. Mit Schriftsatz vom 16.10.2017 nahm die Beklagte gegenüber dem Ombudsmann Stellung und führte u.a. aus, dass die Klägerin vor ihrer Zeichnung auf der Grundlage des ihr zur Verfügung gestellten Prospekts ausführlich auf die Risiken im Rahmen der Beteiligung hingewiesen worden sei, dies auch im Hinblick auf von der Beklagten vereinnahmte Provisionen. Am 19.12.2017 wurde durch den Ombudsmann die Schlichtung wegen Beweisbedürftigkeit abgelehnt, da es zur streitigen Frage der Fehlberatung einer im Schlichtungsverfahren nicht möglichen Zeugen- und Parteivernehmung bedürfte.
Die Klägerin hat am 26.03.2018 Klage vor dem Landgericht Bremen gegen die Beklagte eingereicht, die der Beklagten am 22.05.2018 zugestellt wurde. Die Beklagte erhebt gegenüber dieser auf die Zahlung von Schadensersatz i.H.v. EUR 42.484,83 nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Abtretung der streitgegenständlichen Beteiligung gerichteten Klage die Einrede der Verjährung.
Mit Beschluss vom 24.01.2019 hat das Landgericht das Verfahren im Hinblick auf den im Klageregister bekannt gemachten Vorlagebeschluss des Landgerichts Berlin vom 29.03.2016 zum Az. 4 OH 2/15 betreffend denselben Immobilienfonds nach § 8 KapMuG ausgesetzt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass nach abstrakter Beurteilung die Feststellungsziele im Vorlagebeschluss zur Fehlerhaftigkeit des Verkaufsprospekts ...