Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbot der reformatio in peius im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Verbot der reformatio in peius gilt auch für die sofortige Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren.

2. Das FamG kann sich daher nicht auf § 124 ZPO berufen, wenn es den Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss nicht von Amts wegen, sondern "auf die sofortige Beschwerde" der betroffenen Partei aufhebt.

 

Normenkette

ZPO § 124 Nr. 3, § 127

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Beschluss vom 30.04.2008; Aktenzeichen 70 F 200/08)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - FamG - Bremen vom 30.4.2008 aufgehoben.

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Gerichtsgebühr wird gem. Nr. 1812 der Anlage 1 zum GKG auf die Hälfte ermäßigt.

 

Gründe

Der Antragsgegner wendet sich u.a. gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung.

Mit Beschluss vom 14.2.2008 hat das FamG dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe bewilligt. Zugleich hat es monatliche Ratenzahlungen von 30 EUR angeordnet.

Gegen die Anordnung von Ratenzahlungen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Nachdem das FamG am 2.4.2008 einen Hinweis an den Antragsgegner verfügt hatte, wonach es beabsichtige den Prozesskostenhilfebeschluss gem. § 124 Nr. 3 ZPO aufzuheben, hat es mit Beschluss vom 30.4.2008 "auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners" wie angekündigt die Prozesskostenhilfebewilligung aufgehoben. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, der Antragsgegner verfüge über Grundeigentum und Lebensversicherungen. Die Tatsache, dass der Antragsgegner von Anfang an richtige Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht habe, begründe keinen Vertrauensschutz.

Hiergegen hat der Antragsgegner (erneut) sofortige Beschwerde eingelegt.

Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567,569 ZPO statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der das FamG nicht abgeholfen hat, hat in der Sache teilweise Erfolg.

Gegenstand der sofortigen Beschwerde des Antragsgegners ist der ursprüngliche Beschluss des FamG vom 14.2.2008 sowie der Beschluss vom 30.4.2008. Bezogen auf das Begehren, die Ratenzahlungsanordnung aufzuheben, ist der Beschluss vom 30.4.2008 als Nichtabhilfebeschluss zu qualifizieren. Hinsichtlich der - über die Ratenzahlungsanordnung hinausgehende - Aufhebung der Prozesskostenhilfe enthält der Beschluss vom 30.4.2008 eine neue Beschwer für den Antragsgegner. Mit seiner zweiten Beschwerde hat der Antragsgegner zum Ausdruck gebracht, dass er auch die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens machen will. Der Sache nach geht der Senat von einer Beschwerdeerweiterung und damit von einem Beschwerdeverfahren aus. Dafür spricht, dass der Antragsgegner mit seiner ursprünglichen Beschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe begehrt hat und dieses Begehren notwendig eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraussetzt.

Die Beschwerde hat nur insoweit Erfolg, als sich der Antragsgegner mit ihr gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wendet. Soweit er auch die Ratenzahlungsanordnung angreift, ist sie unbegründet.

Das FamG hat mit der Aufhebung des Ausgangsbeschlusses gegen das auch im Beschwerdeverfahren nach § 127 ZPO geltende Verbot der reformatio in peius (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 127 Rz. 37) verstoßen. Danach ist der Rechtsmittelführer davor geschützt, dass er auf sein eigenes Rechtsmittel hin über die mit der angegriffenen Entscheidung vorhandene Beschwer hinaus weiter beeinträchtigt wird. An der Geltung des Verbots der reformatio in peius ändert auch der Umstand nichts, dass ein Aufhebungsverfahren nach § 124 ZPO bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen von Amts wegen möglich ist. Denn vorliegend hat das FamG den Beschluss ausdrücklich "auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners" aufgehoben (vgl. den Wortlaut des Beschlusses vom 30.4.2008).

Die vom FamG für seinen Aufhebungsbeschluss herangezogene Entscheidung des Senats aus dem Jahre 1985 (FamRZ 1985, 728) ist hier nicht einschlägig: Seinerzeit hatte der Rechtspfleger die Entscheidung des Familienrichters von Amts wegen zu Lasten des Antragstellers abgeändert; Beschwerde hatte der Antragsteller hingegen nicht eingelegt. Von daher bedarf es hier keiner Entscheidung darüber, ob der Senat an seiner Rechtsprechung festhält, wonach die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachträglich gem. § 124 Nr. 3 ZPO aufgehoben werden kann, wenn - wie hier - dem Gericht bei der Würdigung vollständiger und richtiger Unterlagen ein Fehler unterlaufen ist (vgl. OLG Bremen FamRZ 1985, 728 - a.A. die ganz h.M.: OLG Hamburg FamRZ 1996, 874; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 124 Rz. 20, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 124 Rz. 13; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 124 Rz. 4; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 124 Rz. 7).

Keinen Erfolg hat ...

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