Leitsatz (amtlich)
1. Haben zwei Prozessbevollmächtigte einer Partei unabhängig voneinander Berufung wegen desselben Anspruchs eingelegt und nimmt einer von ihnen "die Berufung" ohne weitere Einschränkung zurück, so bewirkt dies den Verlust des Rechtsmittels insgesamt.
2. Legt ein Prozessbevollmächtigter Berufung ein und bezeichnet er im Rubrum als Prozessbevollmächtigten ausschließlich sich selbst, so liegt darin noch nicht die (konkludente) Anzeige, dass die Prozessvollmacht eines früher tätig gewordenen Prozessbevollmächtigten, der seinerseits bereits Berufung eingelegt hat, erloschen ist (gegen BSG, Urt. v. 26.7.1989 - 11 RAr 31/88, MDR 1990, 366 [367] = NJW 1990, 600).
3. Trägt der sich auf der Urteilsausfertigung befindliche Ausfertigungsvermerk kein Datum, führt das nicht dazu, dass die Zustellung des Urteils unwirksam ist.
Normenkette
ZPO §§ 81, 84, 87, 516 Abs. 3, §§ 517, 522 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Aktenzeichen 7 O 23/05) |
Nachgehend
Tenor
Der Kläger wird seines durch die Schriftsätze vom 12.10.2005 eingelegten Rechtsmittels für verlustig erklärt (§ 516 Abs. 3 ZPO).
Die mit Schriftsatz des Klägers vom 6.1.2006 eingelegte Berufung wird als unzulässig verworfen (§ 522 Abs. 1 ZPO).
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens (§§ 516 Abs. 3, 97 Abs. 1 ZPO).
Gründe
I. Der Kläger macht gegen den Beklagten Zahlungs- und Herausgabeansprüche geltend. Mit Urt. v. 7.9.2005 hat das LG Bremen die Klage abgewiesen. Das Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers, den Rechtsanwälten S., am 12.9.2005 zugestellt worden. Mit Telefax vom 12.10.2005, 10:37 Uhr haben die Rechtsanwälte Dr. M. & Kollegen "namens und in Vollmacht des Klägers" gegen das Urteil Berufung eingelegt. Dem am Folgetage bei Gericht eingegangenen Originalschriftsatz war eine Vollmacht des Klägers beigefügt. Ebenfalls mit Telefax vom 12.10.2005, 14:56 Uhr haben die Rechtsanwälte S. Berufung "namens und im Auftrage" des Klägers eingelegt. Mit Schriftsatz vom 27.10.2005 beantragten die Rechtsanwälte Dr. M. & Kollegen die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat zu verlängern. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage, bei Gericht eingegangen am 28.10.2005, nahmen die Rechtsanwälte S. die "namens und im Auftrage des Berufungsklägers gegen das am 7.9.2005 verkündete Urteil des LG Bremen eingelegte Berufung" zurück. Durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 31.10.2005 wurde die Frist zur Berufungsbegründung für die Rechtsanwälte Dr. M. & Kollegen antragsgemäß verlängert. Die Berufungsbegründung ist innerhalb der gesetzten Frist eingegangen.
Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 21.12.2005 wurden sowohl die Rechtsanwälte Dr. M. & Kollegen als auch die Rechtsanwälte S. auf die Ansicht des Senats hingewiesen, dass die beiden eingelegten Berufungen als einheitliches Rechtsmittel anzusehen seien. Die Rücknahmeerklärung der Rechtsanwälte S. vom 27.10.2005 habe deshalb zum Verlust des Rechtsmittels i.S.d. § 516 Abs. 3 ZPO geführt. Gegen diese Auffassung wendet sich der Kläger mit Schriftsatz der Rechtsanwälte Dr. M. & Kollegen vom 6.1.2006. Er ist der Auffassung, dass die Berufung nicht durch die Erklärung der Rechtsanwälte S. insgesamt zurückgenommen worden sei, weil diesen für das Berufungsverfahren die Bevollmächtigung gefehlt habe. Zudem sei die Zustellung des Urteils nicht ordnungsgemäß erfolgt, weil dem Ausfertigungsvermerk auf dem Urteil das Ausstellungsdatum fehle. Gemäß § 517 ZPO sei die Berufungsfrist deshalb noch nicht abgelaufen. Vorsorglich legt der Kläger erneut Berufung ein und beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wegen des Vortrags des Klägers im Einzelnen wird auf den Inhalt seines Schriftsatzes vom 6.1.2006 Bezug genommen.
II. Durch die Rücknahmeerklärung der Rechtsanwälte S. vom 27.10.2005 ist die durch die Schriftsätze vom 12.9.2005 eingelegte Berufung des Klägers mit der Wirkung des § 516 Abs. 3 ZPO insgesamt zurückgenommen worden. Die mit Schriftsatz vom 6.1.2006 eingelegte Berufung war wegen Ablaufs der Berufungsfrist nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
1. Die Rücknahmeerklärung der Rechtsanwälte S. vom 27.10.2005 hat den Verlust des eingelegten Rechtsmittels unter Einschluss der durch die Rechtsanwälte Dr. M. & Kollegen eingelegten Berufung zur Folge (§ 516 Abs. 3 ZPO). Zwar hat der Kläger, vertreten durch verschiedene Prozessbevollmächtigte, im vorliegenden Fall durch zwei verschiedene Schriftsätze Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt. Ein wiederholt von derselben Partei eingelegtes Rechtsmittel stellt jedoch ein einheitliches Rechtsmittel dar mit der Folge, dass eine Rücknahmeerklärung eines Prozessbevollmächtigten, die - wie hier - keine Einschränkung auf die lediglich von ihm vorgenommene Prozesshandlung enthält, im Zweifel als Rücknahme aller bis zur Rücknahme vorliegenden Einlegungsakte anzusehen ist und zum Verlust des Rechtsmittels i.S.d. § 516 Abs. 3 ZPO führt (BSG v. 18.11.1997 - 2 RU 45/96, MDR...