Entscheidungsstichwort (Thema)
Löschungspflichten aus Onlinearchiven
Leitsatz (amtlich)
Ein Unterlassungsanspruch eines schon seit mehreren Jahren wegen einer Straftat Verurteilten gegen einen ihn identifizierenden Artikel in einem sog. Onlinearchiv besteht grundsätzlich nicht, wenn dort lediglich ein zu einem früheren Zeitpunkt erschienener Artikel zulässigen Inhalts bereitgehalten wird.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 17.08.2009; Aktenzeichen 7 O 1424/09) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Bremen vom 17.8.2009 (Gesch.-Nr.: 7 O 1424/09) wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 569 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO.
Der Senat folgt im Ergebnis den Gründen des angefochtenen Beschlusses, die auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zutreffend sind. Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren keine Tatsachen vorgetragen, die zu einer von dem Beschluss des LG abweichenden Entscheidung Anlass geben, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers hat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens keine Aussicht auf Erfolg.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedenfalls unbegründet. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist die Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs und eines Verfügungsgrundes.
Es bestehen bereits Zweifel, ob der Antragsteller einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Zwar ist anerkannt, dass sich ein Unterlassungsanspruch gegen eine identifizierende Berichterstattung grundsätzlich aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ergeben kann, weil auch bei verurteilten Straftätern das Persönlichkeitsrecht Schutz vor einer zeitlich unbeschränkten Berichterstattung durch die Medien gewährt (OLG Frankfurt/M, MMR 2008, 182 ff., 182). Entscheidend ist aber stets, in welchem Maß eine Berichterstattung die Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen kann (BVerfG NJW 2000, 1860). Der Schutz, den das Grundrecht insoweit vermittelt, wirkt nicht im Sinn eines generellen Verfügungsrechts über sämtliche Informationen, die Dritte hinsichtlich einer Person äußern. Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz vielmehr gegenüber solchen Darstellungen, die das Persönlichkeitsbild des Einzelnen in der Öffentlichkeit verfälschen oder entstellen oder seine Persönlichkeitsentfaltung, etwa durch die von ihr ausgehenden Stigmatisierungsgefahren, erheblich beeinträchtigen (BVerG, a.a.O.). Eine derartige Beeinträchtigung kann auch in Darstellungen liegen, die die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nach Verbüßung der Strafe wesentlich zu erschweren drohen. Hierbei ist vorliegend jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um ein Online-Archiv handelt, dessen Breitenwirkung nicht mit derjenigen einer öffentlichen Berichterstattung vergleichbar ist (OLG Frankfurt/M, a.a.O., m.w.N.). Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Archivierung von Informationen, die im Zeitpunkt ihrer Erstveröffentlichung nach äußerungsrechtlichen Maßstäben nicht zu beanstanden waren, nach in der Rechtsprechung überwiegend vertretener Auffassung, zulässig bleibt (OLG Frankfurt/M, a.a.O., S. 183, 184 m.w.N.). Allein durch die Bereithaltung eines zu einem früheren Zeitpunkt erschienenen, zulässigen Artikels in einem Archiv wird der Betroffene nicht erneut "an das Licht der Öffentlichkeit" gezerrt, da sich der Äußerungsgehalt lediglich in einem Hinweis auf eine in der Vergangenheit zulässige Berichterstattung erschöpft (OLG Frankfurt/M, a.a.O., S. 184 m.w.N.; KG, Beschl. v. 19.10.2001 - 9 W 132/01; LG München I, Urt. v. 13.6.2007 - 9 O 2295/07, BeckRS 2008 03243).
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, wie diese jedenfalls im Rahmen eines PKH-Verfahrens nicht abschließend zu entscheidende Frage nach dem Verhältnis von Informationsfreiheit und Nutzbarkeit von Online-Archiven zu beantworten ist, denn jedenfalls hat der Antragsteller vorliegend die Annahme der im Rahmen der einstweiligen Verfügung erforderlichen Eilbedürftigkeit durch sein eigenes vorprozessuales Verhalten ausgeschlossen. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er die einstweilige Verfügung beantragt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 940 Rz. 4; KG NJW-RR 2001, 1201 ff., 1202). Dies ist vorliegend der Fall. Zutreffend hat das LG darauf hingewiesen, dass nach dem Vortrag des Antragstellers die streitgegenständlichen Artikel bereits seit 2007 im Online-Archiv der Antragsgegnerin stehen. Dies war dem Antragsteller auch nach seinem eigenen Vortrag bekannt, denn er behauptet in seiner Beschwerdeschrift mehrere diskriminierende Beispiele, denen eine Internetveröffentlichung z...