Entscheidungsstichwort (Thema)
Mündliche Erörterung i.S.v. § 57 Satz 2 FamFG nur bei wirksamer Gewährung rechtlichen Gehörs durch ordnungsgemäße Bekanntgabe der Ladung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine der (ggf. erneuten) Beschlussfassung über eine einstweilige Anordnung vorausgegangene "mündlicher Erörterung" i.S.v. § 57 Satz 2 FamFG bzw. "mündlicher Verhandlung" i.S.v. § 54 Abs. 2 FamFG liegt nur dann vor, wenn auch dem Antragsgegner im Rahmen des Termins wirksam rechtliches Gehör gewährt worden ist. Letzteres ist nicht der Fall, wenn dem in einem anberaumten Termin nicht erschienenen Antragsgegner die Terminsbestimmung sowie die Antragsschrift nicht rechtzeitig und ordnungsgemäß bekanntgegeben wurden.
2. Hat vor (ggf. erneuter) Beschlussfassung über eine einstweilige Anordnung eine mündliche Erörterung/Verhandlung im Rechtssinne tatsächlich nicht stattgefunden, ist eine Beschwerde gem. § 57 Satz 2 FamFG nicht eröffnet, stellt jedoch eine - entsprechend der im Anordnungsbeschluss erteilten Rechtbehelfsbelehrung - eingelegte "Beschwerde" gegen die einstweilige Anordnung einen Antrag auf Neuentscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung gem. § 54 Abs. 2 FamFG dar.
Normenkette
FamFG § 54 Abs. 2, § 57 S. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Aktenzeichen 604 F 5161/12) |
Tenor
Auf den als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf des Antragsgegners wird die Vorlageverfügung des AG vom 25.10.2012 aufgehoben. Die Sache wird zur Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung und Neuentscheidung über die einstweilige Anordnung an das AG zurückverwiesen.
Gerichtskosten sind für das "Beschwerdeverfahren" nicht zu erheben (§ 20 Abs. 1 FamGKG).
Gründe
I. Die Beteiligten sind Eltern eines 2007 geborenen gemeinsamen Sohnes, der bei der Antragstellerin lebt, die auch allein die elterliche Sorge ausübt. Sie haben - nach längerer Trennung - seit Februar 2010 erneut eine Beziehung geführt, die im Juni 2012 von der Antragstellerin beendet wurde.
Die Antragstellerin hat am 1.10.2012 bei der Rechtsantragstelle des AG einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 1 Gewaltschutzgesetz gestellt. Dazu hat sie unter Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung einen Vorfalles zwischen "am 18., 19. oder 20.9.2012" vorgetragen, bei dem der Antragsgegner sie in ihrer Wohnung gewürgt, mit Gegenständen beworfen und für nicht ganz unerhebliche Zeit eingeschlossen haben soll. Die herbeigerufene Polizei habe dem Antragsgegner einen bis zum 28.9.2012 befristeten Platzverweis erteilt. Nachdem der Antragsgegner am 29.9.2012 unangemeldet zur Abholung ihm gehörender Gegenstände vor der Wohnung erschienen und es erneut zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sei, halte sie - auch im Hinblick auf behauptete einschlägige Vorstrafen, eine laufende Bewährung sowie täglichen Marihuana-Konsum des Antragsgegners - Schutzmaßnahmen für geboten.
Das AG hat noch am selben Tag - nach vorheriger fernmündlicher Abstimmung mit der Antragstellerin - Anhörungstermin auf den 15.10.2012 bestimmt und die Ladung beider Beteiligter gegen Zustellungsurkunde angeordnet.
Eine Sitzungsniederschrift über den Termin vom 15.10.2012 befindet sich nicht in der Akte. Auf fernmündliche Nachfrage ist von der Geschäftsstelle des AG der Inhalt eines abgespeicherten Anhörungsprotokolls übermittelt worden. Danach ist im Termin allein die Antragstellerin mit ihrer zwischenzeitlich bestellten Verfahrensbevollmächtigten erschienen und vom AG ergänzend angehört worden.
Mit nach seinem Wortlaut "auf Grund mündlicher Erörterung" ergangenem Beschluss vom 15.10.2012, der auch in den Gründen auf das Ankreuzen von im Vordruck vorgesehenen (zudem nicht einmal wie vorgesehen inhaltlich ausgefüllten) Textbausteinen beschränkt ist und keinerlei auf den konkreten Fall bezogene Angaben enthält, hat das AG - befristet bis zum 14.4.2013 - die begehrte Gewaltschutzanordnung erlassen. Damit wird dem Antragsgegner u.a. die Annäherung an die Wohnung der Antragstellerin, das Aufsuchen des vom gemeinsamen Sohn besuchten Kindergartens, Verbindungsaufnahme mit Ausnahme von E-Mail-Kontakten zur Absprach des Kindesumgangs verboten und ihm die Wahrung eines Abstands zur Antragstellerin von 50 m aufgegeben. Der Beschluss enthält eine Rechtbehelfsbelehrung, nach der allein die binnen zwei Wochen beim AG einzulegenden Beschwerde eröffnet sei. Das AG hat zugleich auch die Zustellung des Beschlusses über den Gerichtsvollzieher veranlasst.
Am 16.10.2012 ist die an den Antragsgegner unter der von der Antragstellerin angegebenen Anschrift abgesandte Ladung, der auch eine beglaubigte Antragsschrift beigefügt war, an das AG zurückgekommen, da der "Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" war. Das AG hat eine erneute Zustellung unter einem - bis dahin nicht aus der Akte ersichtlichen - Zusatz "c/o ..." veranlasst, deren Erfolg aus der Akte nicht ersichtlich ist.
Am 19.10.2012 hat der Antragsgegner - offenkundig nach Zustellung (allein) des Beschlusses durch den Gerichtsvollzieher - über seinen Verfahrensbevollmächtigten Be...