Leitsatz (amtlich)

1. Die Übernahme einer originären Einzelrichtersache durch die Kammer ohne einen Übertragungsbeschluss stellt einen nicht heilbaren Verfahrensfehler dar, weil sie den Beteiligten den gesetzlichen Richter entzieht.

2. Ein Sachverständiger, der es unterlässt, einen Mitarbeiter, den er nicht nur für Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung einsetzen wollte, zuvor nach seinen Geschäftsbeziehungen, die persönliche Verbindungen zu den Parteien aufweisen, zu befragen und diese den Parteien mitzuteilen, führt die Unverwertbarkeit seines Gutachtens durch grobe Fahrlässigkeit herbei.

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Beschluss vom 02.05.2007; Aktenzeichen 5 OH 7/02)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an den Einzelrichter der 5. Zivilkammer des LG Verden zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 5.568,32 EUR.

 

Gründe

Die nach § 4 Abs. 3 Alt. 1 JVEG zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an den Einzelrichter zurückzuverweisen war.

1. Der angefochtene Beschluss leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, da die Entscheidung nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Denn nach § 4 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 1 JVEG, welches Anwendung findet, weil der Sachverständige R. nach dem 1.7.2004 beauftragt worden ist (Bl. 376 d.A., § 25 S. 1 u. 2 JVEG), entscheidet das Gericht über den Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Entschädigung für den Sachverständigen "durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter", der bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG "das Verfahren der Kammer" "überträgt". Im vorliegenden Festsetzungsverfahren hat indessen die Kammer über die Vergütung entschieden, ohne dass es ihr der Einzelrichter durch entsprechenden Beschluss übertragen hat. Die Übernahme einer originären Einzelrichtersache durch die Kammer ohne einen Übertragungsbeschluss stellt einen nicht heilbaren Verfahrensfehler dar, weil sie den Beteiligten den gesetzlichen Richter entzieht (vgl. BGHZ 154, 200 - 205 sowie OLGReport Celle 2003, 8 - 9, OLGReport Celle 2003, 373 - 374 und OLGReport Celle 2004, 370 - 371).

2. Der Berücksichtigung dieses Verfahrensfehlers im Beschwerdeverfahren steht nicht entgegen, dass nach § 4 Abs. 7 Satz 4 JVEG ein Rechtsmittel nicht auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung gestützt werden kann. Denn Sinn dieser Vorschrift ist nicht, "bei der Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf den gesetzlichen Richter eine andernfalls nur im Wege der Verfassungsbeschwerde mögliche Überprüfung durch das Beschwerdegericht auszuschließen" (BGHZ 154, 200 - 205 zu § 568 Satz 3 ZPO).

3. Dieser Verfahrensfehler des LG hat zur Folge, dass die Sache an das LG zurückzuverweisen war. Einer eigenen Sachentscheidung des Senats steht entgegen, dass die Unzuständigkeit der Kammer zum Erlass des angefochtenen Beschlusses Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Senats im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat. Denn bei Entscheidung durch den beim LG zuständigen Einzelrichter hätte über die dagegen gerichtete Beschwerde der nach § 4 Abs. 7 Satz 1 Halbs. 2 JVEG zuständige Einzelrichter des Senats entscheiden müssen (vgl. die Entscheidungen des OLG Celle in OLGReport Celle 2003, 8 - 9 und OLGReport Celle 2003, 373-374).

4. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war nicht zu entscheiden, da es "gebührenfrei (ist und) Kosten ... nicht erstattet" werden (§ 4 Abs. 8 Satz 1 und 2 JVEG; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 4 JVEG Rz. 29).

5. Abschließend sei auf Folgendes hingewiesen, auch wenn diese Hinweise in Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen nicht verbindlich sein können.

Der Sachverständige Prof. Dr. R. dürfte die Unverwertbarkeit seines Gutachtens durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt haben, da er verpflichtet war, seinen Mitarbeiter Sch., den er nicht nur für Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung einsetzen wollte, zuvor nach seinen Geschäftsbeziehungen, die persönliche Verbindungen zu den Parteien aufweisen, zu befragen und diese den Parteien mitzuteilen, wie bereits vom Senat im Beschluss vom 8.3.2007 zu 6 W 1/07 ausgeführt, worauf wegen der Einzelheiten verwiesen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1810007

BauR 2008, 401

OLGR-Nord 2007, 875

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