Leitsatz (amtlich)

a) Die sog. "Selbstwiderlegung" der Dringlichkeit ist als allgemeiner Grundsatz auch im allgemeinen Zivilprozessrecht zu beachten.

b) Zu den Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung, die auf die Zulassung zu einer Schützenfestveranstaltung gerichtet ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 8 O 135/08)

 

Tenor

1. Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Verfügungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.7.2008 gegeben.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren sowie für das Verfahren vor dem LG - insoweit in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung - wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

1. Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich sein. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:

Es kann dahinstehen, ob der Verfügungsklägerin ein Verfügungsanspruch zusteht (bzw. zugestanden hat, da zum Zeitpunkt der Beschlussfassung jedenfalls zum Teil bereits Erledigung eingetreten ist). Denn jedenfalls hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verfügungsgrund besteht.

a) Die Verfügungsklägerin hat die Annahme einer Dringlichkeit durch ihr eigenes vorprozessuales Verhalten ausgeschlossen.

Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit und damit das Entfallen eines Verfügungsgrundes kommt ungeachtet der Tatsache in Betracht, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG im vorliegenden Verfahren nicht eingreift (vgl. dazu KG, Urt. v. 9.2.2001 - 5 U 9667/00; MünchKomm/ZPO/Drescher, 3. Aufl., § 935 Rz. 19). Es stellt vielmehr einen allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz dar, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er eine einstweilige Verfügung beantragt (vgl. MünchKomm/ZPO/Drescher, a.a.O.; KG, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 940 Rz. 4; Musielak/Ball, ZPO, 6. Aufl., § 940 Rz. 5).

Nach diesen Grundsätzen hat die Verfügungsklägerin die Annahme einer Dringlichkeit durch ihr eigenes vorprozessuales Verhalten selbst widerlegt. Der Verfügungsklägerin ist mit Schreiben des Verfügungsbeklagten vom 6.2.2008 mitgeteilt worden, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt worden ist. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 21.5.2008 bei Gericht anhängig gemacht worden. Mithin hat die Verfügungsklägerin dreieinhalb Monate zugewartet, bevor sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat. Damit hat die Verfügungsklägerin den insoweit noch hinnehmbaren Zeitraum überschritten (vgl. z.B. Musielak/Ball, a.a.O.: bis zu 3 Monate).

b) Unabhängig davon hat die Verfügungsklägerin einen Verfügungsgrund aber auch aus anderen Gründen nicht glaubhaft gemacht.

Die Verfügungsklägerin begehrt vorliegend eine Leistungsverfügung, mit der die Entscheidung in der Hauptsache vorweg genommen werden würde. Der Erlass einer derartigen Verfügung rechtfertigt sich im allgemeinen nicht schon alleine aus dem Umstand, dass die geschuldete Leistung nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorzunehmen ist und die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist. Dem Interesse des Gläubigers an der Gewährung effektiven Rechtschutzes steht das schutzwürdige Interesse des Schuldners gegenüber, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnis- und Beweismöglichkeiten ausgestalteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des reklamierten Anspruchs verpflichtet zu werden. Dieses Interesse des Schuldners gewinnt umso mehr dann an Gewicht, wenn sich - wie hier - die Erfüllung nicht wieder rückgängig machen lässt. In diesen Fällen sind die Belange des Schuldners vielfach nicht weniger schutzwürdig als das Streben des Gläubigers nach Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs. Der Erlass einer auf endgültige Befriedigung des Erfüllungsanspruchs gerichteten einstweiligen Verfügung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn der dem Antragsteller aus der Nichterfüllung drohende Schaden außer Verhältnis zu demjenigen Schaden steht, der dem Antragsgegner aus der sofortigen Erfüllung droht (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.2000 - U (Kart.) 40/00; OLG Köln, Beschluss vom 1.9.2004 - 5 W 99/04; Musielak/Huber, a.a.O., § 940 Rz. 14; Friauf/Wagner, Kommentar zur Gewerbeordnung, Stand: April 2003, § 70 Rz. 63).

Dass derartige Voraussetzungen vorliegend bestehen, hat die Verfügungsklägerin weder dargelegt geschweige denn glaubhaft gemacht.

aa) Nach einem Teil der Rechtsprechung verbietet sich der Erlass einer auf sofortige Erfüllung gerichteten einstweiligen Verfügung bereits regelmäßig dann, wenn die Verweigerung der einstweiligen Regelung bei späterem Obsiegen in der Hauptsache lediglich zu einem Vermögensschaden führen würde (vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.10.2006...

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