Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflichten in Fußgängerzone bei Wochenmarkt
Leitsatz (amtlich)
Zu den Verkehrssicherungspflichten einer Stadt im Bereich einer Fußgängerzone. Anforderungen an die zusätzliche Absicherung einer dort vorhandenen Stufe während eines Wochenmarktes.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Entscheidung vom 06.04.2017; Aktenzeichen 2 O 222/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6. April 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Verden teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem ... August 2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 231,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem ... August 2016 zu zahlen,
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 68 % und die Beklagte 32 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Gehwegunfall.
Am ... Juni 2014 suchte die Klägerin den Wochenmarkt im Bereich der L. Straße in N. auf. Die L. Straße ist eine Fußgängerzone. Hinsichtlich der örtlichen Verhältnisse wird auf die von der Klägerin eingereichten Lichtbilder Bezug genommen (Bl. 24 - 29 d. A.).
Die Klägerin hat behauptet, dass sie in Höhe der von der L. Straße abgehenden W. Straße vom seitlichen Rand der L. Straße wieder in deren Mitte gegangen sei. Dabei habe sie einen entlang der Straße über eine Strecke von mehreren Metern verlaufenden Höhenversatz zwischen zwei Straßenteilen übersehen und sei gestürzt. Bei dem Sturz habe sie sich einen Bluterguss im Knochenmark des 3. Mittelfußknochens zugezogen.
Die Klägerin hat gemeint, dass ihr Unfall auf einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte beruhe. Diese habe den Höhenversatz nicht ausreichend kenntlich gemacht. Darüber hinaus sei die Erkennbarkeit der Straßenverhältnisse auch durch den Wochenmarkt eingeschränkt gewesen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.000,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... August 2016 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 135,00 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... August 2016 zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren von 334,75 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... August 2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Höhenversatz sei ausreichend erkennbar gewesen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B. und R. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16. März 2017 Bezug genommen (Bl. 102 - 110 d. A.).
Mit Urteil vom 6. April 2017 (Bl. 119 - 124 d. A.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zwar sei das Gericht nach Anhörung der Klägerin davon überzeugt, dass sich der Sturz entsprechend ihrer Darstellung zugetragen habe. Die Beklagte habe aber nicht gegen ihre Verkehrssicherungspflichten verstoßen. Die Klägerin sei in einem ursprünglich als Bushaltestelle genutzten Bereich gestürzt. In einem solchen Bereich müsse aber mit Niveauunterschieden gerechnet werden, denn der Höhenversatz diene auch dazu, den Fahrgästen das Einsteigen zu erleichtern. Weitergehende Sicherungsmaßnahmen seien nicht erforderlich gewesen. Dies hätte die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten überspannt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Das Landgericht habe zu Unrecht von der Einholung eines aufmerksamkeitspsychologischen Sachverständigengutachtens abgesehen. Die Klägerin habe dezidiert vorgetragen, weshalb sie die Gefahrenstelle aufgrund ihrer persönlichen Beeinträchtigungen und der Situation vor Ort nicht habe wahrnehmen können. Auf dieser Grundlage hätten durch einen Sachverständigen Feststellungen zur Erkennbarkeit der Gefahrenstelle getroffen werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts aufzuheben und nach den erstinstanzlich gestellten Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Dass sich der Unfall an einem Markttag ereignet habe, sei unerheblich. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass ihr die Sicht nach vorn durch andere Marktbesucher versperrt gewesen sei. Doch selbst wenn da...