Leitsatz (amtlich)

Zur Abwägung, ob die Behauptung, eine bestimmte Person sei Teil einer Bewegung der sog. "Völkischen Siedler", eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung darstellt.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Aktenzeichen 1 O 62/20)

 

Tenor

1. Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin ist Grundschullehrerin. Die Beklagte ist freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus. Zusammen mit einem Co-Autor veröffentlichte sie im Jahr 2019 ein Buch mit dem Titel "Völkische Landnahme - alte Sitten, junge Siedler, rechte Ökos", welches sie u. a. auf einer Veranstaltung vom 15. August 2019 in Eb. vorstellte. Im Hinblick auf Äußerungen, die die Beklagte anlässlich jener Veranstaltung in Eb. getätigt hat, nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

A. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

I. Im Ergebnis wird der Senat nicht deshalb davon ausgehen, dass die Klage bereits unzulässig ist, weil der Klageantrag nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht.

Allerdings dürfte dies auf den "Zusatz" "jeweils, wenn dies geschieht wie am 15.08.2019 ..." zutreffen. Mit diesem Zusatz hat die Klägerin ersichtlich versucht, die konkrete Verletzungshandlung in ihren Antrag mit aufzunehmen (vgl. dazu z. B. BGH, Urteil vom 15. Januar 2019 - VI ZR 506/17, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZB 79/11, juris Rn. 14). Was konkret die Beklagte "am 15. August 2019 in Eb. im Rahmen der Buchvorstellung" gesagt haben soll, ergibt sich indes weder aus dem Antrag noch - soweit man das in diesem Rahmen als ausreichend ansehen sollte (vgl. zur Auslegung eines Urteilstitels: BGH, Beschluss vom 29. September 2016 - I ZB 34/15, juris Rn. 22) der Klagebegründung.

Indes meint der Senat, dass die Anträge zu Ziffern 1. und 2. für sich gesehen, also ohne den vorgenannten "Zusatz", dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechen. Wären diese Anträge in der Sache begründet (was nach Auffassung des Senats nicht der Fall ist, vgl. nachfolgend Ziff. II.), hätte mithin eine Tenorierung ohne den vorgenannten "Zusatz" erfolgen müssen, nicht aber meint der Senat, dass deshalb bereits der gesamte Klageantrag unzulässig ist (vgl. allerdings zu der Fallgestaltung des Widerspruchs zwischen allgemeiner und abstrakter Verbotsformulierung: BGH, Urteil vom 5. November 2015 - I ZR 50/14, juris Rn. 13, 14).

II. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.

1. Für einen Teil der mit der Klage verfolgten Unterlassungsanträge hat die - insoweit darlegungs- und beweispflichtige - Klägerin nicht dargelegt bzw. unter Beweis gestellt, dass der Beklagten insoweit eine Verletzungshandlung zur Last zu legen ist.

a) Die Beklagte hat auf Seite 1 der Klageerwiderung (Bl. 107 d. A.) angegeben, dass sie auf der Veranstaltung in Eb. in Bezug auf die Klägerin lediglich zwei Behauptungen aufgestellt habe, nämlich, dass diese Mitglied im Bund "Sturmvogel" sei, sowie, dass die Klägerin ihren Wohnort in Bad B. habe. Diese beiden (Tatsachen-) Behauptungen sind indes nicht Teil der Klageanträge und damit nicht streitgegenständlich.

b) Auf Seite 5 ihrer Klageschrift (Bl. 49 d. A.) hat die Klägerin die Behauptung aufgestellt, die Beklagte habe anlässlich der Veranstaltung in Eb. am 15. August 2019 öffentlich behauptet, dass die Klägerin - unter Nennung deren Namens - Teil einer Bewegung sei, die die Beklagte als "Völkische Siedler" bezeichnet habe. Der Senat versteht das Vorbringen der Beklagten auf Seite 1 ihres Schriftsatzes vom 11. November 2020 (Bl. 258 d. A.) so, dass sie dies nicht in Abrede nimmt.

Anzumerken ist, dass der Senat in dem hier erörterten Umfang einen inhaltlichen Unterschied zwischen den Klageanträgen zu Ziffern I. 1. und 2. nicht zu erkennen vermag. Der Unterlassungsantrag zu Ziff. I. 1. könnte allenfalls - vom Ansatz her - Erfolg haben, soweit die Klägerin durch die Beklagte als "Teil" einer solchen Bewegung genannt worden wäre. Genau das ist aber schon Gegenstand des Unterlassungsantrages zu Ziff. I. 2.

c) In dem Unterlassungsantrag zu Ziff. I. 1. findet sich des Weiteren der Passus ("... und/oder anderen Personen bzw. Gruppen, die als politisch ...

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