Leitsatz (amtlich)

1. Zu den privaten Unfall- und Verletzungsrisiken des Reisenden, die nicht reisespezifisch sind und mit deren Auftreten auch im privaten Alltag gerechnet werden muss, zählt auch das Ausrutschen auf einer Natursteintreppe im Außenbereich einer Hotelanlage in der Türkei, die in den Morgenstunden vom Hotelpersonal mit Wasser abgespritzt worden ist. Mit einer derartigen (morgendlichen) Reinigungstätigkeit und einer hierdurch - gegebenenfalls - einhergehenden Rutschigkeit der Treppenstufen muss der Reisende rechnen.

2. Rechtliche Hinweise sind durch das Gericht rechtzeitig vor einer mündlichen Verhandlung zu erteilen.

3. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung durch das Gericht ist in einem Zivilprozess nicht zulässig.

 

Normenkette

BGB § 651c Abs. 1, § 823 Abs. 1; ZPO § 139 Abs. 1, 4

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 1 O 57/16)

 

Tenor

1. Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.320,80 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Minderung, Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Beklagten aus einem Pauschalreisevertrag geltend.

Die Klägerin buchte bei der Beklagten eine zweiwöchige Pauschalreise in einem Robinsonclub in der T.. Am zweiten Reisetag fiel die Klägerin um 9:45 Uhr auf einer vorher bei der morgendlichen Reinigung durch das Hotelpersonal nass abgespritzten, aus Bruchstein bestehenden Natursteintreppe im Außenbereich des Hotels hin und zog sich einen Bruch im rechten Fußgelenk zu. Die Treppe führte von der zweiten Ebene des Hotels mit verschiedenen Geschäften zur ersten Ebene mit einer Bar. In den Vertiefungen des Bruchsteins stand noch Wasser. Der Sturz ereignete sich auf dem Weg vom letzten Treppenabsatz nach unten. Dieser Bereich der Treppe ist durch daneben stehende hohe Bäume verschattet. Aufgrund des Unfalls macht die Klägerin gegen die Beklagte die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von insgesamt 12.320,80 EUR geltend und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für zukünftige Schäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.

II. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Ferner ist auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten. Die Berufung hat nach derzeitigem Beratungsstand schließlich auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1. Vertragliche Ansprüche bestehen nicht. Es fehlt bereits an einem Reisemangel i. S. d. § 651 c Abs. 1 BGB.

a) Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, die Reise so zu erbringen, dass sie nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern (§ 651c Abs. 1 BGB). Ein Mangel liegt daher vor, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der Reiseleistungen von derjenigen abweicht, welche die Parteien bei Vertragsschluss vereinbart oder gemeinsam, auch stillschweigend, vorausgesetzt haben, und dadurch der Nutzen der Reise für den Reisenden beeinträchtigt wird.

Da der Reiseveranstalter dem Reisenden aufgrund seiner Obhuts- und Fürsorgepflicht Abwehrmaßnahmen gegen solche mit dem Reiseleistungen verbundenen Gefahren schuldet, mit denen der Reisende nicht zu rechnen braucht und die er deshalb nicht willentlich in Kauf nimmt, fallen jedenfalls auch Beeinträchtigungen infolge von Sicherheitsdefiziten im Verantwortungsbereich des Reiseveranstalters, d. h. infolge einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, für deren Einhaltung er einzustehen hat, unter den Mangelbegriff. Die Verkehrssicherungspflicht umfasst dabei nicht, dass gegen alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen getroffen werden müssen. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst vielmehr diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. (st. Rspr., vgl. z. B. BGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - X ZR 87/06, juris Rn. 21).

b) Gemessen hieran hat die Klägerin eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte und damit einen Reisemangel i. S. v. § 651 c Abs. 1 BGB nicht schlüssig vorgetragen.

aa) Eine Verkehrssicherungspflichtverletzung liegt nicht darin, dass - unstreitig - die Natursteintreppe im Außenbereich des Hotels im Rahmen der morgendlichen Reinigung durch das Hotelpersonal nass abgespritzt worden ist und - unterstellt (dieser Umstand ist zwischen den Parteien strei...

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