Leitsatz (amtlich)

Gegen die Ablehnung des Antrags auf Einholung des Gutachtens eines weiteren Sachverständigen nach § 412 Abs. 1 ZPO ist auch im selbständigen Beweisverfahren nicht der Beschwerdeweg eröffnet.

 

Normenkette

ZPO § 412 Abs. 1, § 485 Abs. 2, § 567 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 10.02.2010; Aktenzeichen 12 OH 5/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 24.2.2010 gegen den ihr am 10.2.2010 zugestellten Beschluss der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des LG Hannover vom 26.1.2010 wird, soweit sie sich mit ihr gegen die Ablehnung des Antrags wendet, gem. § 412 Abs. 1 ZPO einen anderen Gutachter zu beauftragen, als unzulässig verworfen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

Auf den gem. § 321 Abs. 2 ZPO fristgerecht eingegangenen Antrag der Antragstellerin vom 27.9.2010 war der Senatsbeschluss vom 17.9.2010 zu ergänzen. § 321 ZPO findet auf Beschlüsse entsprechende Anwendung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 321 Rz. 1).

Das Ergänzungsbegehren der Klägerin ist auch begründet. Der Senat hat sich im Beschluss vom 17.9.2010 nur mit der Frage der Ablehnung des Sachverständigen befasst, weil Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Beschlusses auch ausdrücklich nur das Ablehnungsgesuch behandelt haben. Dabei ist allerdings übersehen worden, dass im Antrag der Beschwerdebegründung die Anordnung einer neuen Begutachtung als Hauptantrag weiter verfolgt wurde. Auch die Beschwerdeerwiderung und der Nichtabhilfebeschluss der Kammer vom 6.9.2010 gehen davon aus, dass "zumindest implizit" auch dieser Antrag Gegenstand des Beschlusses vom 26.1.2010 war, so dass jedenfalls deshalb die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Zurückweisung des Hauptantrages aus § 412 ZPO nachzuholen war.

Die Entscheidung über die Beschwerde führt allerdings zum Ergebnis ihrer Unzulässigkeit insoweit. Denn die nach § 412 Abs. 1 ZPO zu treffende Entscheidung, ob eine neue Begutachtung durch andere Sachverständige anzuordnen ist, ergeht von Amts wegen. Anträge wie die der Antragstellerin, entsprechend zu verfahren, sind rechtlich nur Anregungen der jeweiligen Partei. Deshalb sind entsprechende Entscheidungen der Gerichte im Rahmen von § 412 Abs. 1 ZPO unanfechtbar wie auch der Beweisbeschluss selbst. Die Besonderheiten des selbständigen Beweisverfahrens rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Das gilt umso mehr, als in einem etwaigen Hauptverfahren die Frage der Handhabung des § 412 Abs. 1 ZPO im selbständigen Beweisverfahren überprüft werden kann. Deshalb entspricht es auch der ganz überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass auch im selbständigen Beweisverfahren wie bei einem Beweisbeschluss gem. § 355 Abs. 2 ZPO die Entscheidung nach § 412 Abs. 1 ZPO nicht isoliert mit der sofortigen Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO angreifbar ist. Die von den OLG Frankfurt (MDR 2008, 585 und BauR 2010, 832) und Stuttgart (NJW-RR 2009, 497) vertretene Auffassung ist Minderheit geblieben. Auch der Senat verweist auf die bereits in der Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin vom 22.3.2010 auf S. 5 ff. zitierten Fundstellen, insbesondere auf die dort auszugsweise wörtlich wiedergegebenen Entscheidungen des OLG Düsseldorf (MDR 2009, 588) und KG (BauR 2010, 260). Diese herrschende Auffassung wird im Übrigen ferner vertreten von Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl., § 412 Rz. 10 sowie Saenger/Eichele, Handkommentar Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2009, § 412 Rz. 8). Dieser herrschenden Auffassung schließt sich der Senat an.

Nur vorsorglich wird angemerkt, dass sich die Entscheidung der Vorinstanz jedenfalls nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand als zutreffend erweist. Denn die Anordnung eines weiteren Sachverständigengutachtens durch einen neuen Sachverständigen wird in der Regel nicht in Betracht kommen, solange nicht die Möglichkeiten zur ergänzenden Befragung des bereits bestellten Sachverständigen ausgeschöpft sind, was das LG nach Aktenlage jedoch noch im Rahmen der Anordnung einer ergänzenden sachverständigen Stellungnahme des Gutachters W. durchzuführen beabsichtigt und (auch nach der von der Antragstellerin vorgelegten Entscheidung BGH NZBau 2005, 688) zunächst einmal möglich und geboten ist.

Der Senat hat im Übrigen ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin über den Ergänzungsantrag der Antragstellerin entschieden, weil die Entscheidung durch diesen Ergänzungsbeschluss die Antragsgegnerin nicht belastet, sondern im Gegenteil auch ihrer bereits in der Beschwerdeerwiderung ggü. dem LG ausführlich begründeten Rechtsansicht entspricht.

Gerichtskosten im Ergänzungsverfahren nach § 321 ZPO fallen nicht an (Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rz. 12).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2425549

BauR 2010, 2166

BauR 2011, 143

IBR 2011, 123

MDR 2011, 318

NJW-Spezial 2010, 652

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