Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsschutzes in einer Betriebsschließungsversicherung für von der behördlichen Schließungsanordnung ausdrücklich ausgenommenen Lieferservice
Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherungsfall einer Betriebsschließung liegt für einen Partyservice nicht vor, wenn am Versicherungsort ausschließlich die Zubereitung von Speisen und kein Verzehr vor Ort erfolgt und die behördliche Schließungsanordnung den Außerhausverkauf sowie Lieferservice ausdrücklich von der Schließung ausnimmt.
2. Wird in den Versicherungsbedingungen einer Betriebsschließungsversicherung Versicherungsschutz für die Betriebsschließung aufgrund meldepflichtiger Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne des IfSG gewährt und heißt es im Anschluss, "Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger...", dann ist die nachfolgende Aufzählung der dem Versicherungsschutz unterfallenden Krankheiten und Krankheitserreger abschließender Natur.
3. Eine solche Leistungsbeschreibung ist weder intransparent, noch benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1-2; IfSG §§ 6-7
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 16.02.2021; Aktenzeichen 5 O 280/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Februar 2021 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.360,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung.
Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2017 eine Betriebsschließungsversicherung. Danach sind Betriebsschließungen in Höhe von kalendertäglich 412,00 EUR bei einer Haftzeit von maximal 30 Tagen versichert. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Allgemeinen Bedingungen für die Betriebsschließungsversicherung (AVB) zugrunde.
Gemäß § 1 Nr. 1 AVB leistet der Versicherer Entschädigung,
"... wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)
a) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt; (...)"
In § 1 Nr. 2 AVB heißt es sodann unter anderem weiter:
"Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:
a) Krankheiten
...
b) Krankheitserreger
..."
Hinsichtlich des Inhalts der AVB und des Versicherungsscheins vom 19. September 2017 wird im Übrigen auf das Anlagenkonvolut K 1 (Bl. 3 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger betreibt einen Partyservice als Einzelhandelskaufmann unter der Firma H.-Party-Service am Versicherungsort "T.-M.-Straße 12, ...". Am Versicherungsort erfolgt die Produktion der Speisen. Von hier aus beliefert er zum einen mehrere Kinderbetreuungseinrichtungen täglich mit Mittagessen.
Zum anderen betreibt er im "Am Garten" in Sch. eine Gastronomie, welche in der Saison vom 1. April bis 31. Oktober eines Jahres für nicht angemeldete Gäste geöffnet ist. Dieser Gastronomiestandort befindet sich nicht am Versicherungsort, sondern unter der Adresse O.-straße in XXXXX Sch..
Mit Allgemeinverfügung vom 17. März 2020 ordnete der Landkreis H. gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NdsVwVfG) i. V. m. § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) unter anderem die Schließung von Bars, Clubs, Kulturzentren, Diskotheken, Kneipen und ähnlichen Einrichtungen sowie aller Verkaufsstellen des Einzelhandels an.
Nach Ziffer 1 der Allgemeinverfügung vom 17. März 2020 wurden für den Publikumsverkehr unter anderem folgende Betriebe geschlossen:
"Bars, Clubs, Kulturzentren, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen".
Ferner heißt es am Ende von Ziffer 1 der Allgemeinverfügung:
"ausdrücklich ausgenommen von der Schließung sind: Der Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, (...).".
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie vom 27. März 2020 (GVBl. 2020, S. 48) wurde der Betrieb untersagt von "Restaurationsbetriebe(n), insbesondere Restaurant...