Leitsatz (amtlich)
Lehnt der Versicherer in der Berufsunfähigkeitsversicherung seine Leistungspflicht ab, wird das bedingungsgemäß abzugebende Anerkenntnis im Fall einer tatsächlich eingetretenen Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers fingiert.
Klagt der Versicherungsnehmer auf Zahlung von Berufsunfähigkeitsleistungen und endet seine Berufsunfähigkeit noch während des Rechtsstreits oder bereits vor Klageerhebung, bleibt der Versicherer bis zu einer ordnungsgemäßen Einstellungsmitteilung zur Leistung verpflichtet.
Demgegenüber endet die Leistungspflicht des Versicherers nicht automatisch mit dem Zeitpunkt, an dem ggf. aufgrund sachverständiger Feststellung der Versicherungsnehmer seine Berufsfähigkeit wiedererlangt hat. Das gilt auch dann, wenn der Versicherer nach Abschluss der aufgrund des Erstantrags durchgeführten notwendigen Erhebungen sein Anerkenntnis hätte befristen können, er aber sowohl von einem befristeten als auch von einem unbefristeten Anerkenntnis abgesehen hat. In einem solchen Fall kann der Versicherer das fingierte Anerkenntnis auch nicht nachträglich durch ein zeitlich befristetes Anerkenntnis ersetzen und so die Regeln des Nachprüfungsverfahrens umgehen.
Normenkette
BUZ § 7; VVG § 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 15.11.2017; Aktenzeichen 8 O 335/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. November 2017 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen sowie unter vollständiger Zurückweisung der Anschlussberufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 49.200,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
- auf 26.400,00 EUR seit dem 18. Februar 2014,
- auf weitere 7.200,00 EUR seit dem 15. November 2014,
- auf weitere 14.400,00 EUR seit dem 1. September 2015 und
- auf weitere 1.200,00 EUR seit dem 2. September 2015.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der Beitragszahlungspflicht für die Lebensversicherung und für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für den Zeitraum ab einschließlich Mai 2012 bis einschließlich September 2015 freizustellen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 1. Mai 2013 die gemäß § 12 (3) der BUZ zum Zusatztarif R jährlich fällig werdenden Überschussanteile, welche über die Bonusrente hinaus bestehen, für den Berufsunfähigkeitszeitraum von einschließlich Mai 2012 bis einschließlich September 2015 der Höhe nach mitzuteilen und auszubezahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. November 2014 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit erledigt hat, soweit der Kläger ursprünglich von der Beklagten Berufsunfähigkeitsleistungen, Überschussbeteiligung und Beitragsfreistellung auch über September 2015 hinaus bis einschließlich März 2017 geltend gemacht hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz tragen der Kläger 18 % und die Beklagte 82 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat für den Fall eines fingierten Leistungsanerkenntnisses die Möglichkeit einer rückwirkenden Beendigung der Leistungspflicht aufgrund zwischenzeitlicher Wiedererlangung der Berufsfähigkeit grundsätzlich verneint und das Ende der Leistungspflicht des Versicherers vielmehr von einer ordnungsgemäßen Einstellungsmitteilung des Versicherers nach den Regeln des bedingungsgemäßen Nachprüfungsverfahrens abhängig macht.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 65.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung.
Die Parteien verbindet mit Wirkung ab dem 1. Dezember 2002 eine Versicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Zusatztarif R. Dem Versicherungsvertrag liegen unter anderem die Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) zugrunde. Hinsichtlich des Inhalts des Versicherungsscheins vom 6. Dezember 2002 wird auf Bl. 55 - 60 d. A. Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts der BUZ wird auf Bl. 194 - 196 d. A. Bezug genommen.
Mit einer vom 4. März 2013 datierenden Selbstausk...