Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung eines Widerspruchsrechts gem. § 5a VVG bei Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags im sog. SKR-Anlagemodell; Berechnung des Anspruchs auf Herausgabe von Nutzungen gemäß § 818 Abs. 1 BGB bei der Rückabwicklung von Unitised-with-profits-Verträgen britischer Prägung
Leitsatz (amtlich)
Allein der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags im Rahmen eines sog. SKR-Anlagemodells, verbunden mit der als Teil des Anlagemodells vorgesehenen Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an einen Darlehensgeber im zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsschluss führt nicht zu einer Verwirkung des "ewigen" Widerspruchsrechts.
Bei der Rückabwicklung von Unitised-with-profits-Verträgen britischer Prägung ist für die Berechnung der Nutzungen im Sinne von § 818 Abs. 1 BGB allein maßgeblich, welche Nutzungen der Versicherer tatsächlich (zunächst) gezogen hat. Unmaßgeblich ist demgegenüber die nachfolgende Verwendung dieser Nutzungen durch den Versicherer etwa im Rahmen eines vertraglich vereinbarten Glättungsverfahrens oder einer poolübergreifenden Reservenbildung.
Normenkette
BGB §§ 242, 818 Abs. 1; VVG § 5a Fassung: 1994-07-21
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 19.02.2020; Aktenzeichen 8 O 158/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Februar 2020 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 440.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags.
Am 1. Juli 2000 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der C. M. I. G. Ltd. (nachfolgend aus Gründen der Vereinfachung: die Beklagte), den Abschluss eines als "XY..." bezeichneten Lebensversicherungsvertrags. Es handelt sich dabei um eine kapitalbildende Lebensversicherung. Die Prämie besteht aus einer zu Beginn des Vertrags als Einmalzahlung zu erbringenden Leistung. Im vorliegenden Fall belief sich die vom Kläger zu zahlende Prämie auf 1.108.385,62 DM. Der Kläger finanzierte die Einmalprämie durch Aufnahme eines Darlehens bei der ...bank S.A.
Hinsichtlich des Inhalts des von der Beklagten als Kopie eingereichten Antragsformulars wird auf die Anlage B 24 im Anlagenband Beklagte Bezug genommen. Hinsichtlich des Inhalts der von der Beklagten eingereichten Verbraucherinformationen, der Poolinformationen und der Policenbedingungen wird auf die Anlage B 1 im Anlagenband Beklagte Bezug genommen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger bereits bei Antragstellung alle Vertragsunterlagen erhielt oder (zumindest teilweise) erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Am 4. Januar 2001 und damit bereits vor Übersendung des Versicherungsscheins durch die Beklagte trat der Kläger seine (zukünftigen) Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Lebensversicherungsvertrag an die ...bank S.A. ab.
Die Beklagte nahm den Antrag des Klägers durch Übersendung eines undatierten Versicherungsscheins (Anlage K 1 im Anlagenband Kläger) mit Wirkung ab dem 22. März 2001 an.
Am 14. November 2003 trat der Kläger seine Ansprüche gegen die Beklagte an die ... bank Girozentrale ab.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seine Police zum 22. März 2009 ablaufe. Am 23. März 2009 zahlte die Beklagte an den Kläger die von ihr errechnete Ablaufleistung in Höhe von 588.035,30 EUR aus.
Mit Anwaltsschreiben vom 6. Juni 2017 widersprach der Kläger dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags und wies zur Begründung darauf hin, bei Abschluss des Vertrags nicht ordnungsgemäß auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen worden zu sein. Weiter errechnete er in diesem Schreiben einen ihm gegen die Beklagte zustehenden Anspruch in Höhe von weiteren 619.467,03 EUR und forderte die Beklagte zur Zahlung auf. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.
Der Kläger hat gemeint, dass der Vertrag im Policenmodell zustande gekommen sei. Er habe bei Antragstellung die Vertragsunterlagen nicht erhalten. Diese seien ihm lediglich gezeigt worden.
Weil er darüber hinaus nicht ordnungsgemäß belehrt worden sei, habe er noch im Jahr 2017 wirksam den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrags erklären können. Vorsorglich erkläre er den Rücktritt vom Versicherungsvertrag, denn er sei auch über sein Rücktrittsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden (Bl. 158 d. A.).
Abweichend von seiner vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung hat er seinen Anspruch im Rechtsstreit wie folgt errechnet:
- von der Beklagten angelegte Prämien 524.205,43 EUR
- zzgl. von der Beklagten einbehaltene Einrichtungsgebühr 42...