Leitsatz (amtlich)
1. Bei fehlender drucktechnischer Hervorhebung einer Widerspruchsbelehrung ist stets davon auszugehen, dass dem Versicherungsnehmer hierdurch die Möglichkeit genommen wurde, sein Lösungsrecht unter denselben Bedingungen auszuüben wie bei ordnungsgemäßer Belehrung; für eine Gesamtwürdigung aller Umstände ist dann kein Raum.
2. Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit einer einmaligen Beitragszahlung, die nach den Versicherungsbedingungen keinem Kündigungsverbot unterliegt, begründet weder die langjährige Vertragsdauer noch die Ausübung des Kündigungsrechts besonders gravierende Umstände des Einzelfalles, die der späteren Geltendmachung eines Widerspruchsrechts nach Treu und Glauben entgegenstünden.
3. Eine sekundäre Beweislast des Versicherers, die für die Ermittlung der von ihr auf den Sparanteil gezogenen Nutzungen erforderlichen Informationen vorzulegen, besteht nicht.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 514/20) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 03.03.2021 - 8 O 514/20 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 28.308,70 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zurückzahlung von Prämien sowie gezogenen Nutzungen.
Er beantragte am 01.11.2001 bei der Beklagten, die seinerzeit unter "C... Ltd." firmierte, den Abschluss einer W... Lebensversicherung. Vereinbart war eine einmalige Beitragszahlung von 30.677,00 EUR und eine jährliche Auszahlung an den Kläger in Höhe von jeweils 1.840,00 EUR in der Zeit vom 01.11.2002 bis 01.11.2009 sowie in Höhe von jeweils 9.942,00 EUR ab dem 01.11.2022 bis 01.11.2042. Das Kapital sollte in den Pool/Fonds: Serie XXX investiert werden. In der Informationsbroschüre (Anlage B1) wurde der Fonds XXX als Pool mit garantiertem Wertzuwachs bezeichnet. Es wurde eine Mindesttodesfallleistung von 101 % des Rücknahmewertes garantiert (Versicherungsschein, Anlage K1). Für den Pool fiel eine Einrichtungsgebühr in Höhe von 2.300,80 EUR (zahlbar in fünf Jahresraten á 460,16 EUR) an.
Auf dem Antragsformular befand sich oberhalb der Unterschriftenzeile unter der in schwarz unterlegten Überschrift "J. Unterschriften" folgender Text:
...
Ich bin darüber belehrt worden, dass ich innerhalb einer Frist von 14 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Deutschland) oder 30 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Österreich) nach Erhalt des Versicherungsscheins, der Policenbedingungen und der Verbraucherinformation dem Vertrag widersprechen kann. Zur Wahrung der Frist genügt rechtzeitiges Absenden der Widerspruchserklärung."
...
Die Beklagte zahlte entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen acht jährliche Raten in Höhe von 1.840,00 EUR, mithin 14.720,00 EUR aus. Der Kläger kündigte im November 2014 die Lebensversicherung und die Beklagte zahlte den Rückgabewert in Höhe von 19.502,79 EUR aus (Anlage K2) und damit insgesamt 34.222,79 EUR. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.05.2019 erklärte der Kläger den Widerspruch bzw. Rücktritt vom Vertrag. Mit Schreiben vom 12.06.2019 (Anlage K4) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Folge des Widerrufes die rückwirkende Auflösung des Versicherungsvertrages sei und die Berechnung des Rückabwicklungsbetrages keinen positiven Betrag ergeben habe, da der bereits ausgezahlte Rückgabewert vom 23.01.2015 den potentiellen Rückabwicklungsbetrag um 3.188,89 EUR übersteige.
Der Kläger hat behauptet, der Vertrag sei im Policenmodell zustande gekommen und die Belehrung entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, denn sie sei weder drucktechnisch hervorgehoben noch sei sie inhaltlich zutreffend. Es fehle ein Hinweis darauf, dass der Widerruf schriftlich zu erfolgen habe. Zudem knüpfe die Frist in der Belehrung an den Erhalt der Unterlagen an, aber nicht wie es das Gesetz vorsehe, an den Abschluss des Vertrages, der mit der Annahme der Beklagten zustande komme. Darüber hinaus fehlten Informationen zur Antragsbindefrist und weitere europarechtlich vorgeschriebene Verbraucherinformationen. Die Beklagte habe zudem die Berechtigung des Widerspruchs anerkannt. Der Kläger meint, ihm stünden die Nutzungen auf den Sparanteil in Höhe von 29.436,29 EUR zu. Diese seien anhand der Erträge, die der Pool XXX in den Jahren 2001 bis 2018 erzielt habe, ohne die Jahre mit Verlusten (2001, 2002, 2008, 2011 und 2018) zu berechnen. Die Jahre mit Verlusten seien mit Null anzusetzen und die von der Beklagten ausgewiesenen Verluste mit Nichtwissen zu bestreiten. Nutzungen aus den Abschlusskosten bezifferten sich auf 2.418,20 EUR und seien auf der Grundlage der Geschäftsberichte der Beklagten zu ermitteln, wobei Renditen ab dem Jahr 2015 in Hö...