Leitsatz (amtlich)
Unzureichende Verbraucherinformationen bei dem Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung 2007 führen zur Anwendung des Policenmodells, weshalb sich die Belehrung über die Widerspruchsmöglichkeit trotz angedachten Antragsmodells an § 5a VVG a.F. zu messen hat. Dieser Rechtsfolge kann § 242 BGB nicht entgegengehalten werden.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 489/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28.07.2023 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 32.405,18 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2020 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
4. Das Urteil und das angefochtene Urteil, soweit es aufrechterhalten bleibt, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 33.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs eines Vertrages über eine fondsgebundene Rentenversicherung.
Die 1960 geborene Klägerin beantragte im Rahmen eines Kundengesprächs am 07.11.2007 den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung bei der Beklagten. Ziel war der Vermögensaufbau. Als Strategie wurde aus den Optionen "Geringes Risiko", "Mittleres Risiko" und "Erhöhtes Risiko" die dritte gewählt. Mit Schreiben vom 13.11.2007 übersandte die Beklagte der Klägerin die Versicherungspolice. Vertragsbeginn war der 16.11.2007. Der monatliche Beitrag betrug 200 EUR. Die Klägerin zahlte diesen bis einschließlich Februar 2022. Investiert wurde in einen Fonds.
Auf dem Antragsformular ist am Ende - unter der Unterschrift zur Bestätigung der Richtigkeit der eingegebenen Angaben - in Fettdruck und bestätigt mit gesonderter Unterschrift der Klägerin folgende Belehrung enthalten:
"Mir ist bekannt, dass ich innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurücktreten kann. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. Ich bestätige, dass ich eine Durchschrift meines Antrages, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen für die Fondsgebundene Rentenversicherung erhalten habe."
Auf der Rückseite des Antrags befinden sich neben zahlreichen anderen, ebenfalls durch eine fettgedruckte Überschrift bezeichneten Absätzen, Ausführungen unter der Rubrik "Rücktrittsrecht".
Das Policenbegleitschreiben enthält über einem Absatz zur Beratungsbereitschaft des Versicherungsvermittlers bei offenen Fragen und der Grußformel - ohne gesonderte Hervorhebung - folgende Belehrung:
"Sie haben die Möglichkeit, innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurückzutreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung."
Die Wahl der Klägerin fiel zunächst auf eine Investition von 100 % der anzulegenden Beträge in den "Avantis Global Opportunities" - Fonds. Später, im Jahre 2011, hatte sie über ihren Vermittler eine umfassende Fondsänderung veranlasst.
Weil nach Jahren der Laufzeit der Rückkaufswert des Vertrages immer noch erheblich um mehrere tausend Euro hinter den Einzahlungen der Klägerin lag, ließ die Klägerin den Vertrag anwaltlich überprüfen. Mit anwaltlicher E-Mail vom 22.09.2020 wurde dem Rentenversicherungsvertrag widersprochen und ausgeführt, dass die Frist zum Widerspruch nicht zu laufen begonnen habe, da die Beklagte keine ordnungsgemäße Widerspruchs-/Rücktrittsbelehrung erteilt habe. Die eingezahlten Beiträge seien zu erstatten. Einer Erklärung und Durchführung der Rückabwicklung werde bis zum 06.10.2020 entgegengesehen. Mit Schreiben vom 08.10.2020 lehnte die Beklagte die Rückabwicklung ab, nachdem die Klägerseite als Anlage zu einem Schreiben vom 06.10.2020 eine Vollmacht, datiert auf den 26.08.2020, vorgelegt hatten.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten mit Schreiben vom 02.04.2021 eine Teilauszahlung, die bislang aus formalen Gründen nicht abschließend bearbeitet wurde.
Die Klägerin machte in ihrer vor dem Landgericht erhobenen, der Beklagten am 05.10.2022 zugestellten Klage geltend, dass unabhängig von der Frage, ob der streitgegenständliche Versicherungsvertrag im Antragsmodell (§ 8 VVG a.F.) oder Policenmodell (§ 5a VVG a.F.) zustande gekommen sei, keine ausreichende optische Hervorhebung der Rücktritts-/Widerspruchsbelehrung durch die Beklagte vorgenommen worden sei. Die Beklagte habe nicht alle nach Anlage D zu § 10a VAG a.F. i.V.m. § 5a VVG a.F. gesetzlich vorgeschriebenen Verbraucherinformationen bei Antragsunterzeichnung zur Verfügung gestellt, sodass die Verträge im Policenmodell ...