Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzfähigkeit von Verbringungskosten und UPE-Zuschlägen auch bei fiktiver Abrechnung bei regionaler Üblichkeit; Nutzungsausfallschaden im Rahmen der fiktiven Abrechnung; Kostentragung der Berufungskosten der obsiegenden Partei bei nachlässiger Prozessführung
Leitsatz (amtlich)
Verbringungskosten und UPE-Zuschläge sind auch bei fiktiver Abrechnung ersatzfähig, wenn sie nach den örtlichen Gegebenheiten in einer markengebundenen Fachwerkstatt angefallen wären.
Der Anspruch auf einen Nutzungsausfallschaden kann auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung bestehen, er setzt aber einen "fühlbaren" Nachteil voraus. Dieser muss tatsächlich vermögensrechtlich eingetreten sein und darf nicht fiktiv bleiben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens können der obsiegenden Partei auferlegt werden, wenn diese Kosten bei einer gewissenhaften Prozessführung nicht angefallen wären.
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2; StVG § 7 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 19.08.2020; Aktenzeichen 14 O 30/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.08.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover, Az. 14 O 30/20, abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.710,47 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2019 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger nach Reparatur und Nutzungsentzug seines Fahrzeuges Seat Kombi, amtliches Kennzeichen ..., eine Nutzungsausfallentschädigung für maximal 5 Tage à 50,00 EUR zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.257,03 EUR festgesetzt.
Gründe
(gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)
I. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist teilweise erfolgreich.
1. Der Kläger hat einen weiteren Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 2.710,47 EUR und Haftungsfeststellung gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 256 Abs. 1 ZPO, § 823 BGB, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG aus dem Unfallereignis vom 3.6.2019 im tenorierten Umfang. Die Beklagte haftet dem Grunde nach zu 100% für die aus dem Unfallereignis resultierenden Schäden.
a) Der Kläger ist aktivlegitimiert. Die vom Kläger in der Berufungsinstanz vorgelegte Ermächtigung der S. Bank vom 2.10.2020, die es ihm erlaubt, in Prozessstandschaft die Forderung der S. Bank geltend zu machen (vgl. Althammer, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, vor § 50, Rn. 48 ff.), ist nicht verspätet gem. § 530 ZPO.
Der Ausschluss neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsrechtszug gilt, auch soweit sie im ersten Rechtszug aus Nachlässigkeit nicht geltend gemacht worden sind, nicht für unstreitige Tatsachen. Aus der die Zwecke des Zivilprozesses und der Präklusionsvorschriften berücksichtigenden Auslegung der § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 ZPO ergibt sich, dass unter "neue Angriffs- und Verteidigungsmittel" im Sinne des § 531 ZPO lediglich streitiges und beweisbedürftiges Vorbringen fällt. Nicht beweisbedürftiges Vorbringen hat das Berufungsgericht gemäß § 529 Abs. 1 ZPO seiner Entscheidung ohne weiteres zugrunde zu legen (BGHZ 161, 138, 141 ff.; 166, 29, Tz. 6; BGHZ 177, 212, Tz. 9 ff.; BGH, Beschluss vom 21. Februar 2006 - VIII ZR 61/04, WM 2006, 1115, Tz. 5; BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 247/06 -, Rn. 15, juris).
So liegt der Fall hier. Der Vortrag des Klägers zu seiner Prozessstandschaft ist zwischen den Parteien unstreitig.
b) Die Klagänderung des Klägers, seine Ansprüche im Rahmen der Prozessstandschaft geltend zu machen, ist auch zulässig.
Gem. § 533 ZPO ist dies der Fall, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und die Klagänderung auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht gem. § 529 ZPO seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.
Eine Klageänderung ist dann sachdienlich, wenn die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem anderenfalls zu führenden Rechtsstreit vorbeugt. Maßgeblich ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei nicht die beschleunigte Entscheidung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend ist. Unerheblich ist, dass dem Beklagten durch die Zulassung eine Tatsacheninstanz genommen wird oder die Klageänderung bereits in erster Instanz hätte erfolgen können (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 533, Rn. 6 m.w.N.).
Gemessen daran ist die Klageänderung sachdienlich. Es kann das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden. Da die Klageänderung auf unstreitigen Tatsachen basiert, sind diese vom Senat auch se...