Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 21.06.2011; Aktenzeichen 180 141/110)

 

Tenor

I. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 21.6.2011 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen.

II. Der Verfügungskläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) nimmt den Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) auf Unterlassung in Anspruch. Von der Darstellung des Sach-und Streitstands im Einzelnen wird gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Zwar bedarf es keiner Darlegung eines Verfügungsgrundes (§ 12 Abs. 2 UWG).

2. Auch sind die Parteien als Rechtsanwälte sowie Fachanwälte für Steuerrecht mit Kanzleisitz in Hannover (Kläger) bzw. Bad Harzburg (Beklagter) Mitbewerber i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

3. Dennoch stehen dem Kläger die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu.

a) Der Kläger kann sein Unterlassungsbegehren nicht auf § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 6 BORA stützen.

aa) Zwar stellt § 6 BORA eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dar, da der Norm eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion zukommt (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 28.5.2010 - 3 U 318/10, zitiert nach juris, Rz. 27, 28 mit Hinweis auf BGH GRUR 2005, 520 f.). Nach § 6 BORA hat die dem Rechtsanwalt erlaubte Werbung sachlich und berufsbezogen zu sein.

bb) Jedoch verstößt die zusatzfreie Bezeichnung "Kanzlei-Niedersachsen" nicht gegen dieses in § 6 BORA enthaltene Sachlichkeitsgebot. Der angesprochene Verbraucher versteht die Bezeichnung nämlich als rein geografische.

(1) Referenzverbraucher ist insofern nach ständiger Rechtsprechung der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Adressat der Werbung, der ihr die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., Rz. 31 m.w.N.). Dies ist vorliegend jedermann, mithin auch die Mitglieder des Senats.

(2) Davon ausgehend teilt der Senat nicht die Ansicht des Klägers, dass der Begriff "Kanzlei-Niedersachsen" eine Assoziation zu der "hoheitlich agierenden Staatskanzlei Niedersachsen" hervorrufe. Abgesehen davon, dass die Staatskanzlei nicht "Staatskanzlei Niedersachsen", sondern "Niedersächsische Staatskanzlei" heißt, verbindet der angesprochene Verbraucher gerade und nur das im vorliegenden Fall nicht vorhandene "Staats-" mit hoheitlicher Tätigkeit, während er unter "Kanzlei" üblicherweise lediglich den Sitz von Rechtsanwälten oder Steuerberatern versteht.

Auch in der Kombination mit der Landesbezeichnung "Niedersachsen" ändert sich dieses Verbraucherverständnis nicht. "Niedersachsen" ist vorrangig eine Regionalbezeichnung, die vom Verbraucher in unterschiedlichsten, nichthoheitlichen Zusammenhängen wahrgenommen wird (z.B. Tourismusland Niedersachsen, Flächenland Niedersachsen, Agrarland Niedersachsen usw.).

(3) Die Angaben "Kanzlei" und "Niedersachsen" sind auch nicht etwa wegen Unwahrheit unsachlich, da der Beklagte eine Rechtsanwaltskanzlei betreibt und diese in Niedersachsen liegt. Die Angaben sind mithin wahr.

b) Es besteht auch kein Unterlassungsanspruch nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Verwendung der Bezeichnung "Kanzlei-Niedersachsen" stellt sich aus Sicht des Verbrauchers nicht als Alleinstellungs- bzw. Spitzenstellungswerbung dar.

aa) Dies wäre der Fall, wenn die Bezeichnung in irreführender Weise suggerierte, dass dem Beklagten in seiner beruflichen Tätigkeit eine besonders herausgehobene Stellung zukomme. Dies indes ist im Hinblick auf das oben (a, bb, (2)) ausgeführte Verbraucherverständnis nicht der Fall.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung.

(1) Zwar hat das OLG Stuttgart für den Begriff "Bodenseekanzlei" eine unlautere Spitzenstellungswerbung bejaht (vgl. Urt. v. 16.3.2006 - 2 U 147/05, zitiert nach juris), weil es meinte, die Einvernahme des gesamten Wirtschaftsraumes Bodensee eröffne die Deutung, dass das Unternehmen mit diesem in ganz besonderer Beziehung stehe und qualitativ und/oder quantitativ im Vergleich zu anderen Kanzleien in hervorgehobener Weise Dienstleistungen anbiete (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O., Rz. 35).

(2) Jedoch hat das OLG Hamm - in Abwendung von seinem früheren Urteil "Tauchschule Dortmund" - ausgeführt, dass eine Spitzenstellungswerbung regelmäßig zumindest voraussetze, dass einer Bezeichnung der bestimmte Artikel vorangestellt werde, weil bei dessen Betonung der jeweilige Geschäftsbetrieb gemäß den allgemeinen Sprachgewohnheiten als hervorgehoben erscheine. Eine solche Herausstellung leiste auch nicht ein Ortsname. Dem Verkehr sei nämlich bekannt, dass es in großen Städten eine Fülle von Rechtsanwaltskanzleien gebe. Von daher messe der Verkehr der Anführung des Ortsnamens nur die Bedeutung der Angabe des Sitzes der Kanzlei zu (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 19.6.2008 - 4 U 63/08, zitiert nach juris, Rz. 30). Das OLG Hamm hat damit die Domain "anwaltskanzlei-(xxx = Ortsname). de" für zulässig erklärt.

(3) Auch ...

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