Leitsatz (amtlich)

1. Bei Bauzeitverzögerungen kann dem Unternehmer ein Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Nr. 5 VOB/B zustehen, sofern die Verzögerung auf Umständen beruht, die weder er noch allein ein Vorunternehmer zu vertreten hat.

2. Akzeptiert ein Auftragnehmer bauzeitverlängernde Anordnungen seines Auftraggebers und führt sie aus, kann sich hieraus im Einzelfall eine einvernehmliche Änderung ergeben, die eine vertragswidrige Anordnung des Auftraggebers ausschließt.

3. Einem Auftragnehmer kann im Rahmen des § 2 Nr. 5 VOB/B ein Mehrvergütungsanspruch auch für Leistungen zustehen, die nicht Gegenstand seiner Urkalkulation waren, wenn diese Leistungen erst durch die Verzögerung notwendig wurden oder durch sie entstanden sind.

 

Normenkette

VOB/B § 2 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 10.12.2008; Aktenzeichen 6 O 232/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Hannover vom 10.12.2008 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 1.128.176,56 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Mehrvergütungsansprüche der Klägerin infolge einer Bauzeitverlängerung.

Die Beklagte beauftragte die Klägerin nach vorangegangener öffentlicher Ausschreibung im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus der Bundesautobahn A 7 mit der Erneuerung des Brückenbauwerks Nr. 3173 in Hannover-Anderten. Die Brücke überführt die Bundesautobahn über den Mittellandkanal. Im Rahmen des Bauvorhabens sollte dabei zunächst die vorhandene Brücke abgebrochen und dann eine neue errichtet werden. Nach dem Ausschreibungsentwurf der Beklagten war die Brücke als dreifeldriges Bauwerk mit einem Stahlverbundüberbau auf ergänzten Pfeilern der alten Brücke und neuen Widerlagern zu errichten. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Ausschreibung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte, erteilte die Beklagte ihr am 22.2.2002 den Zuschlag. Die Parteien schlossen einen Einheitspreisvertrag auf der Grundlage der VOB/B 2000. Für die Ausführung der Arbeiten waren zwei Bauabschnitte vorgesehen. Der erste Bauabschnitt umfasste den Abbruch und den Neubau des Brückenbauwerks auf der Westhälfte (Richtungsfahrbahn Kassel); der zweite Bauabschnitt umfasste den Abbruch und den Neubau des Brückenbauwerks auf der Ostseite (Fahrtrichtung Hamburg). Gemäß Ziff. 2 der Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten vereinbarten die Parteien als spätesten Baubeginn für den ersten Bauabschnitt den 18.3.2002. Fertigstellungstermin des ersten Bauabschnitts sollte der 30.11.2002 sein. Die zweite Bauphase sollte dann nach der erforderlichen Verkehrsumstellung und einer Winterpause ab dem 1.2.2003 beginnen. Der Fertigstellungstermin für die Gesamtbaumaßnahme war für den 30.11.2003 geplant. Zwischen dem ersten und zweiten Abschnitt sollte eine Winterpause in den Monaten Dezember 2002 und Januar 2003 liegen.

Der Beginn der Bauarbeiten verzögerte sich jedoch, weil die von der Beklagten der Firma T. übertragene Verkehrsumstellung nicht bis zum 18.3.2002 abgeschlossen war und darüber hinaus das Bundesministerium für Verkehr der Beklagten bzw. der Firma T. untersagte, die Verkehrsumstellung in der Zeit vom 25.3. bis zum 15.4.2002 vorzunehmen. Mit der Bauausführung wurde deshalb erst - einen Monat später als geplant - am 18.4.2002 begonnen. Die Beklagte gewährte der Klägerin eine Verlängerung der Baufrist für die Fertigstellung der Bauwerkswesthälfte (Richtungsfahrbahn Kassel) mit Schreiben vom 22.4.2002 bis zum 28.12.2002.

Es ergab sich jedoch eine weitere Verzögerung im Bauablauf aufgrund einer Umplanung der Widerlager. Denn am 13.6.2002 wurde seitens eines Prüfingenieurs die Bewehrung der alten Gründung, die nicht abgebrochen werden sollte, als für die Aufnahme der erforderlichen Lastansätze nicht ausreichend gerügt. Die Beklagte ordnete deshalb an, dass nach den vorliegenden Plänen nicht weitergebaut werden dürfte. Am 19.6.2002 einigten sich die Parteien auf die Errichtung zusätzlicher Großbohrpfähle zwischen den Fundamenten der alten, aufgelösten Widerlager. Nachdem die Klägerin die von ihr überarbeiteten Pläne am 2.7.2002 bei der Beklagten eingereicht hatte, wurden diese am 10.9.2002 freigegeben, so dass die Klägerin die Arbeiten an den Widerlagern am 11.9.2002 fortsetzen konnte.

Obwohl die Arbeiten entgegen der ursprünglichen Vereinbarung auch in den Wintermonaten Dezember 2002 und Januar 2003 durchgeführt wurden, konnte der zweite Bauabschnitt erst am 30.6.2004 fertiggestellt werden, nicht wie vorgesehen am 30.11.2003. Die Abnahme dieses Bauabschnitts erfolgte am 17.12.2004.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe die Bauzeitverzögerungen zu vertreten. Sie behauptet, zwischen den Parteien sei über eine Haftung der Beklagten dem Grund nach Einigkeit erzielt worden. Die Bauzeitverzögerungen hätten zu Mehraufwendungen der Klägerin...

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