Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis für ein einstweiliges Verfügungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung zwischen ehrenrühriger Tatsachenbehauptung und Werturteil.
2. Bei ehrenrührigen Äußerungen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens fehlt dem Verfügungskläger im Regelfall das Rechtsschutzbedürfnis für einen auf Unterlassen der Äußerung gerichteten Antrag.
3. Der Verfügungskläger trägt die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast dafür, dass die beanstandete Tatsachenbehauptung "wissentlich unwahr oder leichtfertig unhaltbar" (so BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss v. 15.12.2008 - 1 BvR 1404/04, juris Rz. 18) bzw. "bewusst unwahr oder auf der Hand liegend falsch (so BGH, Urt. v. 28.2.2012 - VI ZR 79/11, juris Rz. 14; BGH, Urt. v. 11.12.2007 - VI ZR 14/07, juris Rz. 14, 21 f.) ist.
Normenkette
BGB §§ 823-824; ZPO §§ 286, 936, 922
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 07.09.2012; Aktenzeichen 8 O 235/12) |
Tenor
Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Verden vom 7.9.2012 wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten der Berufung.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem landgerichtlichen Urteil wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 542 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO).
II. Die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen (§§ 517, 519, 520 Abs. 1 bis 3 ZPO) zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Entgegen der Ansicht des LG kann sich allerdings auch aus den §§ 824, 1004 analog BGB ein Anspruch auf Unterlassen ergeben (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., Einf. v. § 823 Rz. 18 f., § 824 Rz. 12). § 824 BGB setzt voraus, dass unwahre Tatsachen mitgeteilt werden, nicht bloß Werturteile. Vor abwertenden Meinungsäußerungen und Werturteilen bietet § 824 Abs. 1 BGB keinen Schutz (BGH, Urt. v. 22.2.2011 - VI ZR 120/10, juris Rz. 9).
2. Im Streitfall fehlt der Verfügungsklägerin jedoch das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH können ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden. Das sog. Ausgangsverfahren soll nämlich nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen die Parteien in einem Gerichtsverfahren sowie in außergerichtlichen Schreiben, die deren konkreter Vorbereitung dienen, alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Deshalb fehlt in derartigen Fällen für eine Ehrenschutzklage grundsätzlich das Rechtschutzbedürfnis (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 28.2.2012 - VI ZR 79/11, juris Rz. 7; BGH, Urt. v. 11.12.2007 - VI ZR 14/07, juris Rz. 12; BGH, Urt. v. 16.11.2004 - VI ZR 298/03, juris Rz. 18). Dies gilt lediglich nicht bei "wissentlich unwahren oder leichtfertig unhaltbaren" (so BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss v. 15.12.2008 - 1 BvR 1404/04, juris Rz. 18) bzw. "bewusst unwahren oder auf der Hand liegend falschen" Tatsachenbehauptungen (so BGH, Urt. v. 28.2.2012 - VI ZR 79/11, juris Rz. 14; BGH, Urt. v. 11.12.2007 - VI ZR 14/07, juris Rz. 14, 21 f.) sowie - im Falle von Meinungsäußerungen - bei Schmähkritik (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 25.9.2006 - 1 BvR 1898/03, juris Rz. 8 f., 14; BGH, a.a.O.; Senat, Urt. v. 19.4.2012 - 13 U 235/11, juris Rz. 4). Nicht anders verhält es sich im Fall eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (vgl. Senat, Urt. v. 19.4.2012 - 13 U 235/11, a.a.O., Rz. 3 ff.).
Weil für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, regelmäßig kein Rechtsschutzinteresse besteht, ist es Sache des Klägers, darzulegen und zu beweisen, dass ein solcher Ausnahmefall vorliegt (vgl. OLG München, Urt. v. 2.8.2002 - 21 U 2188/02, juris Rz. 31). Der Beklagte hat jedoch erforderlichenfalls nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast darzutun, worauf er die angegriffene Tatsachenbehauptung stützt.
Danach ist im Streitfall davon auszugehen, dass dem Verfügungsbeklagten die beanstandete Äußerung nicht einstweilen verboten werden kann.
a) Entgegen der Einschätzung des LG handelt es sich bei der beanstandeten Äußerung um eine Tatsachenbehauptung.
Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (BGH, Urt. v. 22.2.2011 - VI ZR 120/10, juris Rz. 10). Das Werturteil wird zwar nicht allein dadurch zu einer Tatsachenbehauptung, weil - wie die Verfügungsklägerin meint - die Bewertung auf Tatsachen beruht. Eine Tatsachenbehauptung liegt dann vor, wenn bei der Äußerung aus Sicht des Empfängers die Elemente d...