Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Entscheidungsbefugnis in Gesundheitsangelegenheiten bei Betreuung minderjähriger Kinder durch die künftigen Adoptiveltern
Leitsatz (amtlich)
Hält sich ein Kind, das adoptiert werden soll, mit Zustimmung des Sorgeberechtigten und der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle im Vorfeld der beabsichtigten Adoption längerfristig bei den künftigen Adoptiveltern auf, so sind diese mangels abeweichender Regelungen im Einzelfall entsprechend § 1688 BGB befugt, die Angelegenheiten des täglichen Lebens für das Kind allein zu bestimmen; darunter fällt grundsätzlich auch die Vornahme turnusmäßiger Schutzimpfungen. Das lässt die Notwendigkeit, die betreuenden Personen im Hinblick auf derartige Maßnahmen zum Vormund oder Ergänzungspfleger zu bestellen, regelmäßig entfallen.
Normenkette
BGB § 1688 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Dresden (Beschluss vom 08.04.2010; Aktenzeichen 301 F 1374/10) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsteller vom 14.5.2010 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Dresden vom 8.4.2010 - 301 F 1374/10 - wird zurückgewiesen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller beabsichtigen, am 4.11.2008 geborene Zwillinge thailändischer Staatsangehörigkeit zu adoptieren; die Kinder halten sich mit Zustimmung des zuständigen thailändischen Ministeriums, das derzeit die elterliche Sorge ausüb0, seit Januar 2010 bei den Antragstellern in auf, damit auf diese Weise unter Aufsicht einer anerkannten Adoptionsvermittlungsstelle geprüft werden kann, ob die Antragsteller für eine endgültige Adoption in Betracht kommen.
Die Antragsteller halten nunmehr bestimmte Entscheidungen zur Gesundheitssorge, insb. im Hinblick auf anstehende Impfungen der Kinder für geboten und haben deshalb beantragt, sie zum Vormund der Zwillinge bzw. zum Ergänzungspfleger zu bestellen. Das Familiengericht hat dies mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt und die Antragsteller auf die Möglichkeit verwiesen, sich für die von ihnen als notwendig angesehenen Maßnahmen von den thailändischen Behörden bevollmächtigen zu lassen. Die hiergegen in zulässiger Weise erhobene Beschwerde der Antragsteller, auf deren Begründung im Einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 39 ff. d.A.), bleibt aus Rechtsgründen ohne Erfolg.
II. Der Senat teilt zunächst die Auffassung des Familiengerichts, dass weder die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft noch die für die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft (unabhängig davon, ob die Anordnung zugunsten der Antragsteller oder des Jugendamts erfolgen würde) gegeben sind.
Die Antragsteller tragen selbst vor, die thailändischen Behörden hätten, wie in derartigen Fällen üblich, bewusst davon abgesehen, ihnen die Befugnis zur Wahrnehmung rechtlicher Angelegenheiten der ihnen anvertrauten Kinder zu übertragen, da es sich gegenwärtig noch um ein Pflegeverhältnis handele. Das spricht eindeutig dafür, dass das thailändische Ministerium, dem die elterliche Sorge derzeit obliegt, das Entstehen einer eigenen sorgerechtlichen Stellung der betreuenden Pflegeeltern vor der endgültigen Adoption gerade verhindern wollte. Solange nicht belegt ist, dass die Behörde zur Ausübung ihrer sorgerechtlichen Verantwortung nicht in der Lage ist - und bisher gibt es dafür aus Sicht des Senats keine tragfähigen Anhaltspunkte -, besteht keine Veranlassung, diese von den thailändischen Verantwortlichen ausdrücklich beabsichtigte Rechtslage durch sorgerechtliche Maßnahmen eines deutschen Gerichts zu unterlaufen.
Für die von ihnen als unaufschiebbar bezeichneten ärztlichen Behandlungen der Kinder, insb. die ins Auge gefassten Schutzimpfungen benötigen die Antragsteller überdies die von ihnen mit der Beschwerde beantragten Eingriffe in das Sorgerecht nicht. Denn ihr mit Zustimmung des zuständigen thailändischen Ministeriums begründetes, zunächst befristetes Pflegeverhältnis zur Vorbereitung einer möglichen späteren Adoption entspricht nach Umfang und Zielsetzung der Betreuung einer nach deutschem Recht eingerichteten Familienpflege für die betroffenen Kinder. Auf dieses Verhältnis ist § 1688 BGB jedenfalls entsprechend anwendbar. Danach sind die Pflegepersonen aber ohnehin berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens der Pflegekinder - allein - zu entscheiden; zu diesen Angelegenheiten des täglichen Lebens, zu deren Regelung die Zustimmung des formal Sorgeberechtigten nicht erforderlich ist (und deshalb auch nicht ersetzt werden muss, wie mit dem letzten Hilfsantrag der Beschwerde begehrt), gehört auch die gewöhnliche medizinische Versorgung der Kinder, etwa in Bezug auf übliche Kinderkrankheiten oder turnusmäßige Schutzimpfungen (vgl. etwa Palandt/Diederichsen, 69. Aufl. 2010, § 1687 BGB Rz. 11).
Darüber hinaus bestände selbst dann, wenn man dem nicht zustimmen wollte, gem. § 1688 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB e...