Leitsatz (amtlich)
1. In einstweiligen Verfügungsverfahren über eine Äußerungssache kommt eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung in Betracht, wenn der Betroffene sich die Frist zur Berufungsbegründung verlängern lässt und die Begründung erst im Verlauf dieser verlängerten Frist vorlegt.
2. Die namentliche Erwähnung eines Angeklagten in einer Berichterstattung kommt grundsätzlich nur in Fällen schwerer Kriminalität oder bei der Öffentlichkeit besonders berührenden Straftaten in Betracht.
3. Wird das Hauptverfahren eröffnet, ist einiger Beweis für eine Täterschaft erbracht und eine Verdachtsberichterstattung auch ohne Einholung einer Stellungnahme des Angeklagten zulässig.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 1a O 2402/18 EV) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin vom 10.9.2019 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 10.000,- EUR festzusetzen.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
1. Dies folgt zum einen daraus, dass unabhängig von den vom Landgericht aufgeführten Gesichtspunkten auch das Verhalten des Klägers im Berufungsverfahren erkennen lässt, dass er seinem Antrag selbst keine besondere Dringlichkeit beimisst. Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, die zum Wegfall des Verfügungsgrundes führt und auch bei Unterlassungsbegehren in Betracht kommt, die nicht unter die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG fallen (OLG Dresden, Beschluss vom 22. November 2010 - 23 U 1260/10 -, Rn. 2, juris), ist auch dann anzunehmen, wenn der Antragsteller das von ihm eingeleitete Verfahren nicht zügig, sondern lediglich schleppend betreibt (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. Kap. 54 Rn. 24 m.w.N.). Dem Betroffenen ist es zuzumuten, eine eingelegte Berufung grundsätzlich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 31) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge das Verfahren zu verzögern (Teplitzky, aaO Rn. 24); eines Hinweises hierauf bedarf es nicht (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 4 U 1675/17 -, Rn. 1, juris). Hier hat der Verfügungskläger die Berufung gegen das ihm am 29.4.2019 zugestellte Urteil des Landgerichts erst kurz vor Ablauf der Berufungsfrist eingelegt und erst innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 8.7.2019 begründet. Erhebliche Gründe hat sein Prozessbevollmächtigter nicht dargelegt, der Antrag ist vielmehr formelhaft mit einer "hohen terminlichen Auslastung des Unterzeichners" begründet worden.
2. Dem mit Schriftsatz vom 8.7.2019 angekündigten Berufungsantrag fehlt überdies das Rechtsschutzinteresse, soweit der Verfügungskläger dort beantragt, das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 27.11.2018 insoweit aufrechtzuerhalten, als der Verfügungsbeklagten untersagt wurde zu behaupten, der Verfügungskläger habe sich bei einer YYYYYY-Demonstration im Februar 2017 als Ordner zur Verfügung gestellt (Ziff. 4 des Berufungsantrags). Durch das Urteil des Landgerichts vom 11.4.2019 ist das Versäumnisurteil in diesem Punkt nicht aufgehoben, sondern zugunsten des Verfügungsklägers bestätigt worden (Ziff. I.2).
3. Im Übrigen erweist sich die Entscheidung des Landgerichts, soweit sie mit der Berufung noch angegriffen wird, als zutreffend, selbst wenn man zugunsten des Verfügungsklägers von einem Verfügungsgrund ausginge.
a. Die Behauptung, der Verfügungskläger habe anlässlich des Demonstrationsgeschehens am 20.2.2017 eine andere Person geschlagen, die sich in verschiedenen Fassungen sowohl in dem Artikel vom 8.8.2018 (... soll einen Journalisten attackiert haben; ... habe Tilo S. einen Ellenbogen in die Seite gerammt) als auch in demjenigen vom 19.9.2018 (... soll einen Deutschlandfunk-Reporter bei einer YYYYYY-Demo im Februar 2017 angegriffen haben) findet, stellt eine zulässige Verdachtsberichterstattung dar. Wird darüber berichtet, dass gegen jemanden ein Strafverfahren anhängig ist, so ist der Gegenstand jenes Berichts, falls es - wie hier - tatsächlich ein Strafverfahren gibt, zunächst einmal wahr. Zugleich offenbart die Publikation aber mit dem Gegenstand des Verdachts eine Information über den Verdächtigen, die ihrerseits unzutreffend sein kann, so dass es besonderer Vorkehrungen bedarf, um den Einzelnen vor ungerechtfertigten Verletzungen zu bewa...