Leitsatz (amtlich)

1. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Der Erklärungsempfänger ist verpflichtet, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat. Entscheidend ist dabei der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2006 - III ZR 166/05 -, NJW 2006, 3777; Urteil vom 10.12.2014 - VIII ZR 25/14 -, NZM 2015, 207).

2. Für das Wirksamwerden einer empfangsbedürftigen Willenserklärung ist - außer dem Zugang beim Erklärungsgegner - erforderlich, aber auch ausreichend, dass sie mit Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangt ist, von ihm also begeben wurde, und der Erklärende damit rechnen konnte und gerechnet hat, dass sie (sei es auch auf Umwegen) den richtigen Empfänger erreichen werde (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.1978 - V ZR 177/77 -, NJW 1979, 2032; Urteil vom 25.02.1983 - V ZR 290/81 -, WM 1983, 712; Urteil vom 18.12.2002 - IV ZR 39/02 -, NJW-RR 2003, 384; OLG München, Beschluss vom 06.09.2005 - 32 Wx 60/05 -, NZM 2005, 750; Förschler JuS 1980, 796, 797). Die empfangsbedürftige Willenserklärung braucht danach zwar nicht unmittelbar an den Erklärungsgegner abgesandt zu werden; sie kann ihm auch über Dritte zugeleitet werden, doch darf dies nicht mehr oder weniger zufällig, sondern muss zielgerichtet geschehen, denn es gibt im bürgerlichen Recht keinen dem § 187 ZPO a.F. (§ 189 ZPO n.F.) für die Heilung von Zustellmängeln entsprechenden Grundsatz (vgl. BGH, a.a.O.).

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 04 HK O 981/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 04. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 08.09.2017 (04 HK O 981/16) abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

3. Dieses Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 50.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30.09.2016 hinaus weiterhin ein Mietverhältnis über SB-Warenhaus-Flächen im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss des A...-Centers L..., L... Straße x, 00000 L... bestünde, wenn nicht die Beklagte ihrerseits das Mietverhältnis zum 30.09.2016 außerordentlich gekündigt hätte.

Die Rechtsvorgängerinnen der Parteien schlossen am 26.07./20.12.1994 einen Mietvertrag über Gewerbeflächen zum Betrieb eines SB-Warenhauses (Vollsortiment) in dem noch fertigzustellenden Einkaufszentrum "A...-Center L..." (Anlagenkonvolut K 1). Die zwischenzeitliche Eigentümerin der Immobilie, die D... Immobilien Investment GmbH, informierte die Mieter des A...-Centers mit Schreiben vom 01.08.2006 über dessen Veräußerung an die Beklagte und teilte darüber hinaus mit, dass die E... Projektmanagement GmbH & Co. KG (im Folgenden: E... KG) weiterhin für die Verwaltung des Centers zuständig sein werde. Dies bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 03.08. und 18.08.2016 (Anlagenkonvolut K 3). Zu dem Mietvertrag wurden in der Zeit zwischen dem 20.12.1994 und dem 05.09.2011 insgesamt 11 Nachträge vereinbart (Anlagenkonvolut K 1). In Ziffer 1 des Nachtrags Nr. 8 vom 09./22.12.2008 vereinbarten die hiesigen Parteien, wobei die Beklagte durch die E... KG vertreten wurde, eine feste Laufzeit des Mietverhältnisses bis zum 30.09.2016. Teil B Ziffer 3.1 des Mietvertrags regelt, dass sich das Mietverhältnis um jeweils fünf Jahre verlängert, wenn es nicht von einer der Parteien unter Einhaltung einer Frist von einem Jahr "gekündigt" wird. Die "Kündigung" ist erstmals auf das Ende der festen Vertragslaufzeit zulässig. In Teil B Ziffer 3.3.4 ist geregelt, dass jede "Kündigung" schriftlich erfolgen muss.

Außerdem schloss die Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Rechtsvorgängerin der heutigen G... Immobilien GmbH (im Folgenden: G... GmbH) am 17./24.01.1997 einen Mietvertrag für die Vermietung von Außen-Werbeflächen am A...-Center L... sowie am 09./28.05.1997 einen weiteren Mietvertrag für die Vermietung von Werbeflächen im A...-Center L... ab, zu denen jeweils Nachtragsvereinbarungen getroffen wurden (Anlagenkonvolute B 1 bis B 3). Im Nachtrag Nr. 2 zu dem jeweiligen Werbeflächen-Mietvertrag haben die Vertragsparteien die Mietverhältnisse analog zu dem das Ladengeschäft betreffenden Mietvertrag fest bis zum 30.09.2016 abgeschlossen und bestimmt, dass diese sich um fünf Jahre verlängerten, wenn nicht von einer Partei mit einer Frist von einem Jahr "gekündigt" werde.

Mit Faxschreiben ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge