Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen einer Sorgerechtsregelung kann ein Betreuungs - Wechselmodell kann nicht gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden. Wenn die Eltern über die Frage, wo ihr Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll, kein Einvernehmen erzielen können, muss das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil übertragen werden, auch wenn die gemeinsame Betreuung des Kindes im Rahmen eines Wechselmodells dem Kindeswohl am besten entsprechen würde.
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Beschluss vom 08.09.2010; Aktenzeichen 24 F 1110/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG Mülheim an der Ruhr vom 8.9.2010 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. N. wird auf den Antragsteller übertragen.
Die weitergehende Anschlussbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleiben gegeneinander aufgehoben.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin und der Antragsteller sind miteinander verheiratet und leben seit dem Jahreswechsel 2008/2009 voneinander getrennt. Aus der Ehe ist das beteiligte Kind hervorgegangen.
Nach der Trennung der Kindeseltern sind vor dem AG Mülheim an der Ruhr bereits mehrere Verfahren über die Regelung der elterlichen Sorge für das beteiligte Kind geführt worden. Zunächst haben sich die Kindeseltern im Verfahren 31 F 9/09 am 11.2.2009 auf die gemeinsame Betreuung des Kindes im Rahmen eines sog. Wechselmodells verständigt. Im April 2009 hat der Antragsteller erneut die Übertragung der elterlichen Sorge beantragt, den Antrag jedoch am 13.5.2009 zurückgenommen (Az. 31 F 424/09).
Aus Unzufriedenheit über die Kooperation zwischen den Eltern hat der Antragsteller dann im September 2009 das vorliegende Verfahren eingeleitet, in dem beide Eltern die Übertragung der elterlichen Alleinsorge beantragen.
Das AG hat Beweis erhoben durch die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens zu der Frage, welche Sorgerechtsregelung dem Wohl des Kindes am besten dient.
Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Sorgerecht bei beiden Eltern belassen und das Wechselmodell fortgesetzt werden solle. Beide Eltern seien gleichermaßen geeignet, das Kind zu erziehen. Zwar beeinträchtige die hauptsächlich vom Kindesvater ausgehende Neigung beider Eltern, sich gegenseitig zu kontrollieren, die Kooperationsfähigkeit und führe zu einer relativen Gefährdung des Kindeswohls. Bei der Übertragung der elterlichen Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei aber zu befürchten, dass die Machtkämpfe zwischen den Eltern weitergehen und die gegenwärtige Belastung des Kindes durch die Kooperationsdefizite sich noch verstärken werde. Beide Elternteile seien ausreichend kooperationsfähig und kooperationsbereit; auch die Bindungstoleranz beider Eltern sei grundsätzlich gut und die Bindung des Kindes zu beiden Eltern gleichwertig.
Das AG ist der Einschätzung der Sachverständigen gefolgt und hat die Anträge beider Eltern zurückgewiesen, weil die Beibehaltung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspreche.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Sie ist der Auffassung, dass es den Eltern nicht möglich sei, zu einer geordneten Kommunikation zurückzufinden und das Sorgerecht gemeinsam auszuüben. Bei einer Beibehaltung des Wechselmodells sei eine Steigerung des Elternkonflikts wahrscheinlich. Das Kind, das in der gegenwärtigen Situationen Strategien entwickelt habe, um keinen Elternteil zu verletzen, werde durch die gegenwärtige Situation belastet. Die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil sei deshalb erforderlich.
Der Antragsteller ist grundsätzlich mit der Fortsetzung des Wechselmodells einverstanden, verfolgt aufgrund der Haltung der Kindesmutter jedoch ebenfalls seinen erstinstanzlich gestellten Antrag im Wege der Anschlussbeschwerde weiter.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
1) Zwar teilt der Senat die Einschätzung der Sachverständigen und des AG, dass die Beibehaltung des Wechselmodells dem Wohl des beteiligten Kindes am zuträglichsten wäre.
Die Wechselbetreuung ist gut durchorganisiert. Ihre Umsetzung funktioniert reibungslos und führt zu keinerlei Belastungen für das Kind. Anlässe für Streitigkeiten zwischen den Eltern - beispielsweise die Ferienbetreuung, Äußerungen des Vaters der Antragsgegnerin über den Antragsteller oder der Vorwurf der Antragsgegnerin, dass das Kind durch den Antragsteller beeinflusst werde - haben ihre Ursache nicht in der Wechselbetreuung des Kindes, sondern in nicht aufgearbeiteten Konflikten der Eltern auf der Paarebene.
Bei einer Übertragung des Sorgerechts oder des A...