Leitsatz (amtlich)
Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist mit Blick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens als summarisches Erkenntnisverfahren nur unter besonderen, engen Voraussetzungen zulässig. Deshalb setzt der Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, eine im Rahmen eines Energielieferungsvertrages (hier: Gas) von dem Lieferanten nach Ablauf einer Preisgarantie einseitig erklärte Preisanpassung für unwirksam zu erklären, eine anderenfalls eintretende existentielle, irreparable Schädigung des Antragstellers voraus.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Krefeld (Aktenzeichen 5 O 229/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 14.10.2022 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld - Einzelrichterin - vom 13.10.2022 (Az. 5 O 229/22) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf (bis zu) 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller hat mit der Antragsgegnerin (seinerzeit firmierend unter S. GmbH) einen Energielieferungsvertrag über die Belieferung mit Gas ab dem 01.10.2020 abgeschlossen. Der Vertrag sah im Tarif G. ursprünglich eine Laufzeit von 24 Monaten mit einer Kündigungsfrist von 3 Wochen zum Laufzeitende vor. Ohne Kündigung verlängert er sich um 12 Monate. Das Entgelt ist aufgeteilt in einen Arbeitspreis, der ursprünglich 3,92 ct/kWh betrug, und einen Grundpreis von 109,04 EUR/Jahr; der Preis war für 24 Monate ab Lieferbeginn garantiert. Der Arbeitspreis enthält Netznutzungsentgelte, Energiesteuer, Konzessionsabgaben und Regelenergieumlage als variable Komponenten, die dem Antragsteller in ihrer jeweiligen aktuellen Höhe in Rechnung gestellt werden sollen. Gegenstand des Vertrages sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin (Stand 02/2020) (Bl. 20 ff.). Diese regeln in Ziff. 5 die Zusammensetzung des Entgelts für die Gaslieferung und enthalten in Ziff. 6 Regelungen über gesetzliche Preisänderungen, Preise und Preisanpassungen. Preisänderungen - außerhalb des Zeitraums einer Preisgarantie - erfolgen danach durch die Antragsgegnerin im Wege der einseitigen Leistungsbestimmung in Ausübung billigen Ermessens nach § 315 BGB, wobei ausschließlich Änderungen der Kosten zu berücksichtigen sein sollen, die für die Preisermittlung maßgeblich sind. Die Antragsgegnerin ist berechtigt, Kostensteigerungen weiterzugeben, und verpflichtet, Kostensenkungen vollumfänglich bei der Preisermittlung zu berücksichtigen. Eine Überprüfung der Kostenermittlung soll mindestens alle 12 Monate vorgenommen werden. Die Regelungen sollen auch gelten, wenn künftig weitere Steuern/Belastungen wirksam oder bestehende Steuern etc. geändert werden.
Der Vertrag wurde von beiden Seiten nicht gekündigt. Unter dem 19.08.2022 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein mit "Preisänderung" überschriebenes Schreiben (Bl. 12 f.), mit dem sie ihn über die "dramatischen Entwicklungen auf den Energiemärkten" informierte. Darin hieß es unter anderem, dass sich auf dem Gasmarkt die Beschaffungskosten bereits vervielfacht hätten und voraussichtlich weiter steigen würden. Auch als starker Energielieferant könne die Antragsgegnerin diese Marktentwicklung leider nicht beeinflussen und müsse deshalb die Preise des Antragstellers anpassen. Weiterhin wurde in dem Schreiben auf die Einführung einer Gasspeicherumlage i.H.v 0,059 Ct/kWh und einer Gasbeschaffungsumlage i.H.v. 2,419 Ct/kWh sowie eine Anhebung der SLP-Bilanzierungsumlage von aktuell 0,00 Ct/kWh auf 0,57 Ct/kWh hingewiesen, die Bestandteil der Preisanpassung und damit im Arbeitspreis des Antragstellers enthalten sein könnten. Sodann heißt es:
"Für Ihren Tarif G. ergeben sich dadurch folgende Änderungen:
Ihr Energiepreis ab dem 01.10.2022
Grundpreis (EUR/Monat) netto 7,83 EUR/Monat brutto 9,32 EUR/Monat
Arbeitspreis (Ct/kWh) netto 6,93 Ct/kWh brutto 8,25 Ct/kWh"
Abschließend teilte die Antragsgegnerin mit, wenn der Antragsteller den Vertrag ab dem 01.10.2022 zum angepassten Preis fortsetzen wolle, müsse er nichts tun. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben weise sie ihn darauf hin, dass er seinen Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen beenden könne.
Unter dem 14.09.2022 übersandte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein inhaltlich gleich lautendes Schreiben (Bl. 14 f.) mit einer Preisänderung zum 01.11.2022, in dem es nunmehr heißt:
"Für Ihren Tarif G. ergeben sich dadurch folgende Änderungen:
Ihr Energiepreis ab dem 01.11.2022
Grundpreis (EUR/Monat) netto 19,02 EUR/Monat brutto 22,63 EUR/Monat
Arbeitspreis (Ct/kWh) netto 36,55 Ct/kWh brutto 43,50 Ct/kWh"
Mit Anwaltsschreiben vom 23.09.2022 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, die Preiserhöhungen bis zum 30.09.2022 zurückzunehmen und ihn weiter zum ursprünglichen Preis zu beliefern, außerdem stelle er anheim, ihm in transparenter Weise eine Preisänderung mitzuteilen. Hierauf reagierte die Antragsgegnerin nicht.
Unter dem 11.10.2022 beantragte der Antragste...