Leitsatz (amtlich)

Zur Betriebsgefahr eines Rettungsfahrzeugs, das ungebremst mit mindestens 43 km/h bei Rotlicht in den Kreuzungsbereich einfährt.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17 Abs. 1-2; StVO § 35 Abs. 5a, 8

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Urteil vom 19.07.2017; Aktenzeichen 6 O 176/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.07.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.352,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz haben der Kläger zu 81 Prozent und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 19 Prozent zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 63 Prozent und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 37 Prozent zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadenersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 19.01.2015 gegen 8:55 Uhr in Hückelhoven im Bereich einer durch eine Lichtzeichensignalanlage geregelten Kreuzung ereignete. Dort quert die aus Süden kommende Hilfrather Straße die Jülicher Straße und setzt sich unter dem Namen Dinstühler Straße nach Norden fort.

Die Beklagte zu 2) befuhr mit einem bei der Beklagten zu 1) haftpftlichtversicherten Pkw B. M. die Jülicher Straße in östlicher Fahrtrichtung.

Aus Süden näherte sich auf der Hilfrather Straße der beim Kläger vollkaskoversicherte Rettungswagen M.-B. S., der vom Zeugen K. geführt wurde. Der Rettungswagen war zu einem Notfalleinsatz unterwegs und wollte die Kreuzung trotz Rotlicht überqueren.

Der PKW B. M. prallte im Kreuzungsbereich gegen die linke Seite des querenden Rettungswagens. Beide Fahrzeuge wurden erheblich beschädigt.

Die Kosten für die Reparatur des Rettungswagens betrugen einschließlich Umsatzsteuer 17.901,72 Euro. Diese erstattete der Kläger seiner Versicherungsnehmerin abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 300 Euro. Ferner erstattet er Abschleppkosten in Höhe von 359,24 Euro.

Die Beklagte zu 1) lehnte mit Schreiben vom 30.12.2015 eine Schadensregulierung ab.

Der Kläger hat behauptet, Blaulicht und Martinshorn seien durchgängig eingeschaltet gewesen. Der Zeuge K. habe, nachdem sämtliche übrigen Verkehrsteilnehmer die eingeschalteten Sondersignale des Rettungswagens wahrgenommen und auf ein Einfahren in den Kreuzungsbereich verzichtet hätten, darauf vertraut, dass auch die Beklagte zu 2) ihm freie Bahn verschaffen würde. Diese habe jedoch, als das für sie maßgebliche Lichtzeichen von Grün auf Gelb umgesprungen sei, beschleunigt und versucht, die Kreuzung unter Missachtung des Rettungswagen zu überqueren. Für den Zeugen K. sei dies nicht vorhersehbar gewesen, so dass er nicht mehr rechtzeitig hätte reagieren können. Trotz einer eingeleiteten Notbremsung habe er den Zusammenstoß nicht mehr verhindern können.

Eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Versicherungsnehmerin des Klägers bestände nicht, da Krankentransporte nach § 4 Nr. 14 und Nr. 17 Lit. b UStG steuerfrei seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 17.960,96 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2015 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, die Beklagte zu 2) habe vor Einfahrt in die Kreuzung weder ein Martinshorn noch Blaulicht wahrgenommen und sei bei Grün in die Kreuzung eingefahren. Von einem Hineintasten des Rettungswagens in die Kreuzung könne keine Rede sein, denn die Geschwindigkeit des Rettungswagens habe ausweislich der vom Kläger vorgelegten Auswertung des Unfalldatenschreibers zwischen 43 und 45 km/h betragen.

Umsatzsteuer könne nicht verlangt werden, da davon auszugehen sei, dass die Versicherungsnehmerin des Klägers zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

Das Landgericht hat die Beklagte zu 2) persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Zeugen K., N. und J. sowie Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens des Sachverständigen Dr. H.. Sodann hat es ausgehend von einer Haftungsquote von 50 Prozent einen Betrag in Höhe von 8.980,48 Euro nebst Zinsen zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe gemäß den §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, 86 Abs. 1, 115 VVG einen Anspruch in der zuerkannten Höhe.

Der Unfall sei für keinen der Beteiligten unabwendbar gewesen. Ein Idealfahrer hätte den Zusammenstoß dadurch vermieden, dass er entweder mit reduzierte Geschwindigkeit oder gar nicht in den Kreuzungsbereich eingefahren wäre.

Der Kläger könne Ersatz der Hälfte der von ihm erbrachten Versicherungsleistungen verlangen, da im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVG v...

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