Leitsatz (amtlich)

1. Die Zahlung des Schuldner während eines laufenden Zivilprozesses ist auch nach Erlass eines Versäumnisurteils aber vor dessen Zustellung noch nicht inkongruent i.S.d. § 131 Abs. 1 InsO.

2. Ein durchschnittlicher Lieferant muss allein wegen Zahlungsverzögerungen und der Nichteinlösung eines Schecks bei einer dann folgenden freiwilligen Zahlung des Schuldner noch nicht zwingend von der Zahlungsunfähigkeit gem. § 130 Abs. 2 InsO ausgehen.

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 8 O 130/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Duisburg vom 20.6.2002 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

A. Das LG hat die Klage auf Zahlung i.H.v. 21.084,22 Euro wegen angeblich anfechtbarer Zahlung der Schuldnerin an die Beklagte nach Verkündung, aber vor Zustellung eines Versäumnisurteils vom 12.8.1999 abgewiesen mit der Begründung, die Leistung vom 25.8.1999 sei weder inkongruent gem. § 131 InsO gewesen, noch habe die Beklagte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin i.S.d. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO gehabt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Darstellung im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

Demgegenüber macht der klagende Insolvenzverwalter unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags mit der Berufung weiter geltend, es handele sich bei der streitigen Zahlung um eine inkongruente Leistung, die die Schuldnerin nur unter dem Druck des Klageverfahrens und bevorstehender Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil sowie der Androhung einer Strafanzeige geleistet habe.

Außerdem habe die Beklagte aus der Verzögerung der Zahlung und der Nichteinlösung eines Schecks vom 4.8.1998 auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen müssen.

Dem tritt die Beklagte erneut entgegen und erhebt die Einrede der Verjährung, da die Anfechtung nicht gem. § 146 Abs. 1 InsO innerhalb von zwei Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.12.1999 mit der am 7.2.2002 eingereichten Klage geltend gemacht worden sei.

Die Beklagte bestreitet, dass die Schuldnerin schon im August 1999 zahlungsunfähig gewesen ist.

Der Kläger hält dem entgegen, dass die Beklagte vorgerichtlich auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31.3.2001 verzichtet habe.

B. Die Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung von 21.084,22 Euro aus § 143 Abs. 1 InsO.

I. Die von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobene Einrede der Verjährung gem. § 146 Abs. 1 InsO greift nicht durch.

Zwar wurde die Frist zur Erhebung der Anfechtungsklage von zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.12.1999 durch die Einreichung der Klageschrift am 7.2.2002 deutlich nicht eingehalten.

Die Beklagte ist mit der Erhebung der Einrede erst in der Berufungsinstanz auch nicht ausgeschlossen, weil gem. § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ein Gesichtspunkt betroffen ist, der nach der Entscheidung des LG unerheblich war, da mit anderer Begründung die Klage abgewiesen wurde.

Die Erhebung der Einrede der Verjährung durch die Beklagte verstößt aber gegen Treu und Glauben, nachdem sie in der vorgerichtlichen Korrespondenz einen bis zum 31.3.2001 befristeten Verzicht ausgesprochen hat. Vor diesem Zeitpunkt hat der Kläger zeitnah die Klage eingereicht, nachdem klar war, dass die Beklagte zu einer außergerichtlichen Einigung nicht bereit war.

II. Die Zahlung der Schuldnerin an die Beklagte i.H.v. 41.237,15 DM (= 21.084,22 Euro) am 25.8.1999 ist nicht anfechtbar gem. §§ 130, 131 InsO.

Die Begriffe der Inkongruenz der Leistung gem. § 131 InsO und der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 130 InsO erfassen den vom Kläger unterbreiteten Sachverhalt nicht, wie das LG mit zutreffender Begründung ausgeführt hat.

1. Auch wenn es für die Beurteilung der Anfechtbarkeit gem. § 131 Abs. 1 InsO wegen inkongruenter Deckung nicht wesentlich ist, ob die Zwangsvollstreckung im formalrechtlichen Sinne schon begonnen hat sondern ausreicht, dass die Befriedigung oder Sicherung unter dem Druck einer unmittelbar drohenden Zwangsvollstreckung gewährt wird, der Gläubiger also zum Ausdruck gebracht hat, er werde alsbald die Mittel der Vollstreckung einsetzen, wenn der Schuldner die Forderung nicht erfülle (BGH v. 11.4.2002 – IX ZR 211/01, BGHReport 2002, 803 = MDR 2002, 1027 = ZIP 2002, 1159 ff. m.w.N.), liegt hier noch eine kongruente Leistung vor.

Denn der BGH hält in der zitierten Entscheidung daran fest, dass die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorstehen müsse oder der Gläubiger die Vollstreckung angedroht haben muss.

Beides ist hier nicht der Fall, weil die Schuldnerin noch vor der Zuste...

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