Leitsatz (amtlich)
1. Fährt ein nachfolgendes Fahrzeug auf ein Fahrzeug auf, das im Begriff ist, nach links in ein Grundstück abzubiegen, rechtfertigt die Lebenserfahrung nicht die Annahme, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Abbiegenden besteht (gegen LG Saarbrücken Urt. v. 24.1.2014 - 13 S 168/13).
2. Ebenso wenig lässt sich aus den hohen Anforderungen, die § 9 Abs. 5 StVO an den Abbiegenden stellt, ableiten, dass in diesen Fällen jedenfalls der für ein Verschulden des Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis erschüttert sei (gegen OLG Dresden Urt. v. 24.4.2002 - 11 U 2948/01).
Normenkette
StVO § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Duisburg (Aktenzeichen 3 O 63/13) |
Tenor
Das Versäumnisurteil des Senats vom 17.3.2015 bleibt aufrechterhalten.
Die Beklagten tragen die durch die Säumnis veranlassten Kosten als Gesamtschuldner (§§ 539 Abs. 3, 344, 100 Abs. 4 ZPO). Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung einschließlich der Entscheidung über die Kosten des Berufungsrechtszuges dem Schlussurteil des LG vorbehalten.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche nach einem Auffahrunfall des Beklagten zu 1), der am 16.7.2012 in Duisburg auf einem Linksabbiegerstreifen passierte, als der Kläger nach links in eine Zufahrt einbiegen wollte.
Der Kläger befuhr am 16.7.2012 gegen 19:10 Uhr mit seinem Pkw Citroën C5, amtliches Kennzeichen DU- die Wacholderstraße in Fahrtrichtung Westen in Duisburg. Für diese Fahrtrichtung bestehen zwei Fahrstreifen. Bei dem linken Fahrstreifen handelt es sich um eine Linksabbiegerspur, die im weiteren Verlauf (ca. 42 m) mit der Düsseldorfer Straße kreuzt. Der Kläger ordnete sich auf der Linksabbiegerspur ein und beabsichtigte, noch einige Meter vor der Kreuzung in seine Grundstückseinfahrt nach links abzubiegen. Hinter ihm fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Audi S3 mit dem amtlichen Kennzeichen OB-. Der Beklagte zu 1) wollte an der Kreuzung Wacholderstraße/Düsseldorfer Straße nach links in die Düsseldorfer Straße einbiegen. Auf dem Linksabbiegerstreifen fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw auf denjenigen des Klägers auf. Einzelheiten hierzu sind streitig.
Der Kläger hat behauptet, er habe sich unter rechtzeitigem Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers ordnungsgemäß auf dem Linksabbiegerstreifen eingeordnet und habe wegen vorfahrtberechtigten Gegenverkehrs sein Fahrzeug zunächst bis zum Stillstand abbremsen müssen. Ihm sei ein materieller Schaden i.H.v. 9.800,60 EUR entstanden. Für seine unfallbedingten Verletzungen (HWS-Distorsion und Prellung des Brustbeins) sei ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 2.000 EUR angemessen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.800,60 EUR zu zahlen zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9.078,29 EUR seit dem 14.8.2012, aus 17,50 EUR seit dem 14.9.2012 und im Übrigen seit Rechtshängigkeit,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag zu 2.000 EUR jedoch nicht unterschreiten sollte, zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 700 EUR seit dem 14.9.2012, im Übrigen seit Rechtshängigkeit,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei S. GbR i.H.v. 1.105,87 EUR freizustellen zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, der Kläger habe den Fahrtrichtungsanzeiger nicht gesetzt und unerwartet stark sein Fahrzeug abgebremst. Der Beklagte zu 1) habe damit rechnen dürfen, dass sich der Kläger auf der Linksabbiegerspur in Richtung Ampel weiterbewegen würde.
Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E., V. und D.. Den Kläger und den Beklagten zu 1) hat es persönlich angehört. Die Akten 4 O 384/12 LG Duisburg und 312 Js 1819/12 StA Duisburg hat das LG beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Das LG hat ein Grundurteil erlassen und die Klage dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mithaftungsanteils des Klägers i.H.v. 50 % für begründet erachtet. Hierzu hat es ausgeführt, dass die Beweisaufnahme weder ergeben habe, dass der vorausfahrende Kläger eine Vollbremsung gemacht habe, noch dass dieser den linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt habe. Die Aussagen der vernommenen Zeugen seien zu der Frage der Betätigung des linken Fahrtrichtungsanzeigers unergiebig. Gegen beide Parteien spreche ein Anscheinsbeweis, gegen den Kläger, da er in ein Grundstück habe abbiegen wollen und gegen den Beklagten zu 1) als Auffahrenden. Die tatsächlichen Vermutungen würden sich daher gegenseitig aufheben, so dass die damit verbundenen Beweiserleichterungen entfielen. Eine Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträ...